Urteil #3 – Aufzug im Fitnessstudio

§-SymbolIst ein Fitnessstudio eine öffentliche Sportanlage? Und sind 20 % Mehrkosten für den Einbau eines Aufzuges unverhältnismäßig? Das Verwaltungsgericht Freiburg hat in seinem Urteil vom 27. November 2002 entschieden, dass auch ein Fitnessstudio als Sportanlage einzustufen ist. Damit muss auch für Menschen mit Behinderung die Zugänglichkeit der gesamten Anlage ermöglicht und ggf. ein Aufzug eingebaut werden.

Im vorliegenden Fall sollte ein Fitnessstudio errichtet werden, in dem sowohl im Erd- als auch im Obergeschoss Trainingsflächen vorgesehen sind. Die Baugenehmigung verlangt den Einbau eines Aufzuges. Dagegen klagt der Bauherr und vertritt dabei die Auffassung, dass es sich bei einem Fitnessstudio um keine öffentliche Sportanlage handele, da mit den zahlenden Mitgliedern nur einem bestimmten Personenkreis Zutritt gewährt werde. Menschen mit Behinderungen seien keine Nutzer des Fitnessstudios, da sie an den Geräten nicht trainieren könnten. Außerdem sei die Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderungen weder möglich noch geplant. In Bezug auf die Kosten für den Einbau eines Aufzuges sein zudem die „Mittel-Zweck-Relation“ nicht gewahrt.

Das regelt die LBO BW im § 39 Barrierefreie Anlagen

Nach § 39 Abs. 1 der Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO BW) vom 08.08.1995 „sind bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, die überwiegend von kleinen Kindern, Behinderten oder alten Menschen genutzt werden, […] so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen).“
Nach Abs. 2 Nr. 6 LBO BW gelten diese Anforderungen auch für Sport-, Spiel-, Erholungsanlagen und Schwimmbäder.

Die Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht stellt klar, dass auch ein Fitnessstudio als Sportanlage einzustufen sei und demzufolge barrierefrei zugänglich und nutzbar sein müsse. Das vom Bauherrn angeführte Abgrenzungskriterium eines Mitgliedsbeitrages dürfe nicht zum Wegfall des Erfordernisses der Barrierefreiheit führen.

Nutzungszweck und Benutzerkreis sind entscheidend

Zwar hat der Bauherr argumentiert, dass Menschen mit Behinderungen an den Geräten nicht trainieren könnten. Dem folgt das Gericht jedoch nicht und hält es nicht für von vornherein ausgeschlossen, dass – bei barrierefreier Zugänglichkeit – auch für Menschen mit Behinderung eine zweckentsprechende Nutzung des Fitnessstudios möglich sei. Mit den Regelungen zur Barrierefreiheit wolle der Gesetzgeber gerade der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen durch bauliche Erschwernisse entgegenwirken und die Integration fördern.

Gesamte Sportanlage muss barrierefrei zugänglich sein

Die angestrebte Gleichstellung verlange auch, dass eine Sportanlage nicht nur teilweise, sondern vollständig genutzt werden könne – also auch im Obergeschoss. Darüber hinaus diene die Barrierefreiheit nicht nur den Nutzern der Anlage, sondern auch dem Schutz potentiell Beschäftigter. Einem Beschäftigten mit Behinderung könne nicht nur ein Arbeitsplatz im Erdgeschoss zugewiesen werden.

Faustformel für Mehrkosten: 20 %

Darüber hinaus sieht das Gericht die Mehrkosten für einen Aufzug nicht als unverhältnismäßig an. Mehrkosten von bis zu 20 % gegenüber den Normalkosten seien grundsätzlich zumutbar. Bei Baukosten von ca. 347.000 € seien daher Mehrkosten von ca. 20.000 € für den Einbau eines Aufzugs vertretbar, zumal auch günstigere Lösungen in Betracht kommen könnten.

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Hier können Sie die Entscheidung im Detail nachlesen: VG Freiburg, Urteil vom 27.11.2002 – Az. 7 K 1903/01

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