Müssen Apotheken auch in Bestandsgebäuden barrierefrei zugänglich sein? Und kann eine entsprechende Nachrüstung verlangt werden? Im betreffenden Fall befindet sich vor der Eingangstür zum Verkaufsraum einer Apotheke ein Podest, dass sich vier bis fünf Zentimeter vom Gehweg abhebt. Nachdem dies bei einer Inspektion aufgefallen war, wird der Pächter der Apotheke aufgefordert, entsprechend nachzurüsten und einen barrierefreier Eingang herzustellen.
Der Pächter verweigert die Nachrüstung, obwohl das Amt für Verkehrsmanagement den Umbau für technisch möglich erklärte. Er klagte gegen die Nachrüstung mit der Begründung, die Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Schließlich habe er keine Kunden, die auf einen Rollstuhl angewiesen seien. Darüber hinaus ließe sich aufgrund der geringen Größe des Podests und der Weigerung des Hauseigentümers, bauliche Änderungen am Gebäude selbst vorzunehmen, die geforderte Barrierefreiheit nur durch die Anhebung des Gehwegs erreichen. Hierbei würde außerdem das maximal zulässige Quergefälle von 4 % überschritten.
Organisatorische statt bauliche Lösung?
Statt einer baulichen Lösung schlug der Apotheker vor, das Problem organisatorisch zu lösen, z.B. mit Hilfe einer Funkklingel und einer mobile Rampe. Es sei darüber hinaus fraglich, ob „barrierefrei“ überhaupt einen völlig stufenlosen Zugang erfordere oder ob der vorhandene Höhenunterschied noch als „barrierefrei“ bezeichnet werden könne.
Die Gegenseite, die die Nachrüstung gefordert hatte, hielt dagegen, dass die Anhebung des Gehweges technisch möglich sei. Die mit 8.000 € veranschlagte Baumaßnahme sei bei dem Verdienst des Apothekers zudem auch nicht unverhältnismäßig (6.000 € für die Angleichung des Gehwebes, 2.000 € für die vorher nötige Vermessung).
Grundsätzlich barrierefreie Eingangssituationen bei Apotheken
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Anordnung eines barrierefreien Zugangs zur Offizin der Apotheke sei rechtmäßig. Die Begründung lautet folgendermaßen:
„… Die Apotheke des Klägers entspricht nicht den Vorgaben des § 4 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO). Nach der Vorschrift muss die Offizin einen Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen haben und soll barrierefrei erreichbar sein.
… Diese Regelung, die mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl. 2012 I S. 1254) in die Apothekenbetriebsordnung eingefügt wurde, gilt auch für Apotheken, die – wie die Apotheke des Klägers – bei Inkrafttreten der Änderung am 12. Juni 2012 bereits auf der Grundlage einer zuvor erteilten Erlaubnis betrieben wurden (Bestandsapotheken).
… Die Anforderungen an die barrierefreie Erreichbarkeit werden in der Apothekenbetriebsordnung nicht konkretisiert. Sie können aber aus § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) abgeleitet werden, auf den die Begründung des Verordnungsentwurfs verweist.“
Organisatorische Maßnahmen nicht zielführend + Interessen sind abzuwägen
Des Weiteren heißt es sinngemäß, dass organisatorische Maßnahmen nicht zielführend sind, da nach BGG Menschen mit Behinderung selbstständig (d.h. ohne fremde Hilfe) in die Apoteke gelangen sollen. Dies ist bei einem Höhenunterschied von vier Zentimeter nicht möglich.
„… Dessen ungeachtet räumt § 4 Abs. 2a Satz 1 2. Halbsatz ApBetrO den Belangen von Menschen mit Behinderungen einen hohen Stellenwert ein. Diese sind in der Ermessensentscheidung mit den widerstreitenden Interessen des Inhabers der Apotheke abzuwägen.
Da in diesem Fall keine Unverhältnismäßigkeit gegeben ist, weil die baulichen Maßnahmen technisch möglich und in einem finanziell angemessenen Rahmen sind, ist die Aufforderung zur Nachrüstung zulässig. Dabei ist es unerheblich, ob die Kundschaft des Klägers auf die Barrierefreiheit angewiesen ist, da es sich um einen Grundsatz für jede Apotheke handelt:
Die barrierefreie Erreichbarkeit erfordert grundsätzlich einen von Stufen, Schwellen und anderen Hindernissen vollständig freien Zugang, damit auch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, selbständig, ohne fremde Hilfe in die Apotheke gelangen können.
Hier können Sie die Entscheidung im Detail nachlesen: VG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2020, 16 K 7633/18 |
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