Grenzen handwerklicher Selbstverständlichkeit – Wie viel Detailplanung muss sein?

Systemskizze – als Detail zur Ausführung eines barrierefreien Übergangs sicher nicht ausreichend

Gebäude sind keine industriellen Serienwerke, sondern Unikate. Architekturschaffende und ausführende Gewerke schaffen ein gemeinsames Werk – im besten Fall ein mangelfreies Gebäude. In der Praxis sieht es oft anders aus. An kniffligen Detailpunkten und Gewerkeschnittstellen lauern Probleme. Dennoch wird an allen Enden gespart – bei der Planung, der Ausführung und der Bauüberwachung. Hinzu kommen Kostendruck und Fachkräftemagel. Im Haftungsfall geht es um diese Fragen:

  • Wie viel Detailsplanung schulden Architekten und Planende?
  • Was muss man einem ausführenden Unternehmen vorgeben? Wie viel handwerkliche Selbstverständlichkeit darf man voraussetzen?
  • Wie viel müssen Bauüberwachende prüfen, damit keine Fehler passieren?

In einem aufschlussreichen Sachverständigenbericht, erschienen bei IBR, widmet sich diesen Fragen Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller, Architekt und ö.b.u.v. Sachverständiger. Dabei liefert er auch Hilfestellung dazu, wie viel Detailplanung und Bauüberwachung bei wenig standardisierten Konstruktionen angebracht sind, z. B. bei Nullschwellenkonstruktionen:

Insofern Planer nicht in die Bauüberwachung eingebunden sind, haben sie keinen Kontakt zur Baustelle. Ihr „Erfolgsanteil“ beschränkt sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Planung. Letztere begrenzt sich durch die handwerkliche Selbstverständlichkeit. Diese bestimmt sich primär aus der Art des Werks. Eine nicht gut geregelte Bauweise und eine, die einer intensiven Koordination unterschiedlicher Gewerke bedarf, muss detaillierter geplant werden, als solche, die (unverändert) übliche handwerkliche Standards sind. Einem Zimmermann muss nicht angegeben werden, wie ein Nagel einzuschlagen ist, einem Estrichleger nicht, wie eine Randfuge auszubilden ist […] – es sei denn, man möchte erwas von Standards Abweichendes.

Ausführende haben (nur) Anspruch auf Planungen, wenn sie ohne diese nicht arbeiten können. […]  Niveaugleiche Türschwellen z. B. können unterschiedlich realisiert werden. Für diese sind keine vereinheitlichten Standards sinnvoll möglich, sondern nur Prinzipien standardisierbar. Sie bedürfen einer genaueren, auch koordinierenden Planung als gut standardisierbare Details. Dazu zählen z. B. übliche Anschlüsse von Abdichtungen an Wände, die in Regelwerken, z. B. in der Flachdachrichtlinie des ZVDH, veröffentlicht sind und allgemein bekannt sein dürften. […]

Überwachende haben keinen Planungsauftrag (sofern sie nicht auch planen). Auch wenn sie nicht selbst bauen, haben sie die Verpflichtung, am Erfolg des gebauten mitzuwirken. […] Falls Planungen unvollständig oder fehlerbehaftet sind bzw. planerische Anpassungen erfoderlich sind, haben sie darauf hinzuweisen. […]
Ein Überwachender kann nicht an allen Stellen der Ausführung stehen und muss das auch nicht – sonst könnte er gleich selbst bauen.

Quelle:  Auszüge aus IBR Immobilien- & Baurecht, Ausgabe 1.2022, Beitrag „Schnittstelle „Handwerkliche Selbstständigkeit“ von Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller, Architekt und ö.b.u.v. Sachverständiger.

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