Bodenindikatoren im öffentlichen Raum – DIN 32984 (2020)

Seit Dezember 2020 liegt die neue Bodenindikatoren-Norm endlich vor und in Bezug auf die Vorgängerfassung von 2011 hat sich Einiges geändert. Manche Anforderungen sind auch weggefallen, da diese mittlerweile in der DIN 18040-3:2014-12 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ festgelegt sind.

Die DIN 32984 regelt nunmehr „nur“ die Form und Anwendung von Bodenindikatoren und ordnet sich dabei der DIN 18040 unter.

Leit- und Orientierungssysteme nach DIN 32984
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DIN 32984 – Das sind die wesentlichen Änderungen:

1. Bordhöhen

Weggefallen sind die Regelungen zur Breite von Nullabsenkungen und Bordhöhen. Hierzu wird jetzt nur noch auf die DIN 18040 verwiesen. Lediglich bei Überquerungsstellen mit differenzierter Bordhöhe ist im Querungsbereich für Blinde und Sehbehinderte eine Höhe von 6 cm genannt. Dies ist nicht mehr als Mindest-, sondern als Sollmaß formuliert. Damit wären Bautoleranzen zugelassen. Maßgeblich für Bordhöhen ist allerdings die DIN 18040-3, hierin wurden 2014 die Vorgabe „mindestens 6 cm“ übernommen. Damit hat die überarbeitete Bodenindikatorennorm die Tür für eine Veränderung bei einer anstehenden Novellierung der DIN 18040 geöffnet.

2. Form der Bodenindikatoren

Die Form der Rippenplatten sind unverändert. Bei den Noppenplatten wurden hingegen einige Vorgaben geändert. Die bisher üblichen Platten entsprechen aber im Wesentlichen weiterhin der Norm.

Bisher galt für Auffindestreifen eine orthogonale Anordnung der Noppen als Regelfall. Der Grund hierfür war, dass orthogonale Noppen als leichter überrollbar galten. Diese Annahme hat sich bei einer Untersuchung der BASt aber so nicht bestätigt. Stattdessen hat sich gezeigt, dass die Form der Noppen und nicht ihre Positionierung entscheidend für die Überrollbarkeit ist.[1] Deshalb legt die neue DIN 32984 jetzt eine diagonal angeordnete Noppenstruktur zugrunde. Die Maßtabelle wurde entsprechend umgestellt. Außerdem wurden Widersprüche in der alten Tabelle korrigiert. Innerhalb von Gebäuden sind künftig auch alle Platten zulässig, die im Außenraum verwendet werden.[2]

3. Aufmerksamkeitsfelder unterhalb von Treppen

Von oben ist die Stufenkantenmarkierung an der untersten Stufe kaum zu sehen, weil der visuelle Kontrast zum Aufmerksamkeitsfeld darunter fehlt (sogenannter Scheinstufeneffekt.)

Wenn unterhalb von Treppen ein Noppenfeld angeordnet wird, ergibt sich oft das Problem, dass bei visuell kontrastreicher Gestaltung die Stufen­kantenmarkierung von oben nicht mehr wahrgenommen werden kann. In der alten Fassung der DIN 32984 hieß es dazu etwas lapidar, dass Scheinstufen zu vermeiden seien.

 

 

Von unten ist die Stufenkantenmarkierung der hinaufführenden Treppe deutlich zu erkennen.

Noppenfelder unterhalb von Treppen sind generell nur erforder­lich, wenn dort ein Leitsystem endet. Das wird jetzt deutlicher formuliert. Denn mit dem Langstock lässt sich – von unten kommend – die Vorderkante der untersten Stufe leicht ertasten und die nach oben führende Treppe stellt auch keine Gefahrenstelle dar. Oberhalb der Treppe, vor dem obersten Auftritt, ist dagegen ein Aufmerksamkeitsfeld zwingend anzuordnen.

Wenn auch unterhalb von Treppen ein Aufmerksamkeitsfeld angeordnet wird, muss das Aufmerksamkeitsfeld um 60 cm abgerückt werden, um einen Scheinstufeneffekt zu verhindern. Im Normentwurf wurde noch die Möglichkeit genannt, in diesem Ausnahmefall beim Aufmerksamkeitsfeld am Fuß der Treppe auf den visuellen Kontrast zum Umgebungsbelag zu verzichten, um den viel wichtigeren visuellen Kontrast zur Stufenkantenmarkierung zu gewährleisten. Diese Möglichkeit wird in der endgültigen Fassung nicht mehr genannt, würde die Scheinstufenproblematik allerdings auch lösen.

4. Anzeige von Überquerungsstellen

Gesicherte Überquerungsanlage (Lichtsignalanlage) in Fulda mit Auffindestreifen bis zum Richtungsfeld

Überquerungsstellen für blinde und sehbehinderte Menschen sind wie bisher mit Richtungsfeldern anzuzeigen, die Systematik des Auffindens wurde jedoch verbessert. Ebenso ist die Unterscheidbarkeit gesicherter und ungesicher­ter Überquerungsstellen klarer geregelt. Zudem werden nun auch Lösungen für besondere Überquerungssituationen beschrieben, die in der Praxis seltener vorkommen.

 

 

 

Ungesicherte Überquerungsstelle in Gernsheim mit verkürztem Auffindestreifen

Gesicherte Überquerungsstellen (Furt oder Überweg) werden durch die Kombination von Rippen im Richtungsfeld und Noppen im Auffindestreifen angezeigt. Bei ungesicherten Überquerungen kann lediglich ein Richtungsfeld angeordnet werden. Das war auch bisher schon so. In vielen Fällen war das in der Praxis jedoch nur bedingt umsetzbar oder das Richtungsfeld kaum zu finden. Künftig kann deswegen bei seitlich gelegenen ungesicherten Überquerungsstellen, ähnlich wie bei gesicherten, ein Auffindestreifen mit Noppen angeordnet werden, der aber dann mit mindestens 60 cm Abstand zum Richtungsfeld endet. So wird ermöglicht, dass das Richtungsfeld gut gefunden wird und vermieden, dass blinde Menschen suchend vor der Nullabsenkung auf dem Sperrfeld landen.

Führt ein Weg direkt auf eine gesicherte Überquerung zu, liegt der Auffindestreifen direkt quer vor dem Richtungsfeld. An ungesicherten Überquerungsstellen wird stattdessen lediglich ein Richtungsfeld angeordnet. Dadurch wird die Unterscheidbarkeit von gesicherten und ungesicherten Überquerungsstellen gewährleistet.

Gesicherte (rechts) und ungesicherte (links) Überquerungsstelle in Hauptgehrichtung bei differenzierter Bordhöhe

Für Dreiecksinseln gab es bisher keine Regelung in DIN 32984. Dabei ist die Orientierung für Menschen mit Sehbehinderungen dort schwierig, da von allen Seiten Verkehrsgeräusche kommen und die „schiefen“ Winkel das Zurechtfinden erschweren. Künftig führt bei gesicherten Überquerungsstellen vom zentralen Abzweigefeld ein nur 30 cm breiter Auffindestreifen mit Noppen zum Richtungsfeld. Einen solchen schmalen Auffindestreifen mit Leitfunktion gab es bisher noch nicht. Durch diese Verbindung von Noppen- und Richtungsfeld wird erkennbar, dass es sich um eine gesicherte Überquerung handelt.

5. Fahrbahnaufpflasterungen und Gehwegüberfahrten

In der bisherigen Fassung der DIN 32984 von 2011 wurde zwischen Fahrbahnaufpflasterungen und Gehwegüberfahrten nicht wirklich unterschieden. Obwohl es sich in dem einen Fall um eine Fahrbahnquerung und im anderen Fall rechtlich um einen Gehweg handelt, über den z.B. die Zufahrt einer Tankstelle führt. Die neue DIN 32984 von 2020 behandelt Fahrbahnaufpflasterungen als Querung, und bietet auch für Gehwegüberfahrten spezifische Lösungen an. Hier können im Einzelfall auch Leitsysteme weiter helfen, die auf Fahrbahnen nicht zulässig sind.

6. Einstiegsfelder

Mehr dazu im Handbuch “ Barrierefreie Verkehrs- und Außenanlagen“ inkl. Beilage zu „Bodenindikatoren nach DIN 32984 >>

 

Bei Bushaltestellen sind Einstiegsfelder nicht immer sinnvoll und es kann auf sie verzichtet werden. Insbesondere dann, wenn der Auffindestreifen wie empfohlen 90 cm tief ist, da dann das 120 cm breite Einstiegsfeld mit dem Langstock davon kaum unterscheidbar ist. Der Abzweig des Leitstreifens parallel zur Bussteigkante ist besser wahrzunehmen.

Bei Bahnsteigen mit über 35 cm Höhe über dem Gleiskörper sollen künftig Einstiegsfelder exzentrisch zum Leitstreifen angeordnet werden, damit die Personen besser Abstand zur hohen Absturzkante halten können.

Warum hat es so lange gedauert?
Zur Entwicklung der neuen DIN 32984

Der Grund für den langwierigen Novellierungsprozess der DIN 32984 liegt in der Vorgeschichte. Die Bodenindikatoren-Norm von 2011 entstand in einem ungeregelten Raum. Es gab zwar eine Vorgängernorm von 2000, die aber noch keine Noppen kannte und Rippenplatten, die so geringen Abstand hatten, dass sie kaum ertastbar waren und heute nicht mehr zulässig sind. Systematische Vorgaben für die Anwendung und Anordnung von Bodenindikatoren fehlten weitgehend.

Die DIN 18040-3 von 2014 zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrs- und Freiraum existierte ebenfalls noch nicht. Für die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum galt damals noch die DIN 18024-1“Barrierefreies Bauen – Straßen, Wege, Plätze“ von 1998. Darin fanden sich allerdings noch keine Regelungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen, wenn man von der allgemeinen Forderung absieht, Borde oder Haltestellen müssten visuell und taktil wahrnehmbar sein. Der Versuch, alles in einer gemeinsamen Norm DIN 18030 zu regeln, war 2006 gescheitert.

Heute ist die Situation eine andere. Es gibt mit der DIN 18040 eine allgemein anerkannte Normenreihe für barrierefreies Bauen, die auch die Belange blinder und sehbehinderter Menschen berücksichtigt.
Ziel und Anspruch der neuen DIN 32984 ist es deshalb nur noch, die Form und Anwendung von Bodenindikatoren in diesem Rahmen zu regeln.


Autor: Bernhard Kohaupt

www.unbehindertmobil.de


[1] Bordsteinkanten mit einheitlicher Bordhöhe und Bodenindikatoren an Überquerungsstellen. In: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Bergisch Gladbach 2014, Heft V242,
https://bast.opus.hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/start/0/rows/25/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/Boenke/docId/793

[2] Die Maße der Rippen- und Noppenplatten siehe http://unbehindertmobil.de/masserippennoppen.pdf