Betreutes Wohnen und Service-Wohnen: wachsender Bedarf, mangelndes Angebot

Der Bedarf an Seniorenwohnungen verschiedener Ausstattungsstandards ist hoch. (Quelle: Terragon)

Der Bedarf beim Wohnen für Senioren steigt weiter und beschränkt sich nicht auf Pflegeheime, denn viele fitte Rentner wollen so lange wie möglich eigenständig leben.

Nach unten korrigierte Konjunkturprognosen, ein unruhiges globales Umfeld, tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungen: In solchen Zeiten ist es wichtiger denn je, über Zyklen hinweg zu agieren. Langfristige Immobilieninvestoren sollten deshalb nach konjunktur- und demografiefesten Anlagemöglichkeiten suchen. Im Bereich des betreuten Wohnens gibt es noch reichlich Potenziale zu heben, denn dort treffen wachsender Bedarf, mangelndes Angebot und kaufkräftige Konsumenten aufeinander. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Empirica hat Terragon dieses Immobiliensegment untersucht und Prognosen erstellt, die Investoren einen Überblick über den aktuellen Bedarf und die voraussichtliche Entwicklung geben.

Wachsende Nachfrage, mangelndes Angebot

Senioren wollen so lange wie möglich selbstbestimmt wohnen. (Quelle: Terragon)

Der Bedarf an betreutem Wohnen beziehungsweise Servicewohnen ist hoch und steigt weiter. Das hat mehrere zusammenhängende Gründe: Die Generation der Babyboomer kommt nach und nach ins Rentenalter – im Jahr 2030 wird es knapp 22 Millionen Bundesbürger geben, die älter als 65 sind. Gleichzeitig werden die Deutschen dank medizinischer Fortschritte immer älter, und alte Menschen bleiben immer länger gesund. Zwar benötigen viele von ihnen irgendwann Unterstützung im Alltag, doch von der Notwendigkeit, in einem Pflegeheim vollstationär versorgt zu werden, sind sie oft weit entfernt. Dass die Pflegepolitik seit einigen Jahren der Parole „ambulant vor stationär“ folgt, verstärkt den Trend weg vom Pflegeheim − ebenso wie der schlechte Ruf, der den Heimen anhaftet. Dementsprechend will die Mehrheit der Deutschen so lange wie möglich selbstständig in einer eigenen Wohnung leben. Einrichtungen des betreuten Wohnens erlauben auch Hochbetagten, in einem häuslichen Umfeld angemessen versorgt zu werden. Doch dieser Bedarf kann bislang nicht gedeckt werden. 94 Prozent aller Kommunen in Deutschland sind unterversorgt. Unter der Annahme, dass nur fünf Prozent der über 65-Jährigen Bedarf und Interesse an Servicewohnen haben, bieten gerade einmal drei der 30 größten deutschen Städte (Frankfurt am Main, Leipzig und Stuttgart) ausreichend viele Plätze an. In den kleinen und mittleren Städten liegt die Versorgungsquote durchschnittlich unter zwei Prozent der Senioren – und das, obwohl dort mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt. Da das gewachsene soziale Netzwerk älterer Menschen einen wichtigen Faktor für ihre Lebensqualität darstellt, ist Wohnortnähe ein zentrales Kriterium. Daraus ergibt sich, dass eine Nachfrage nach neuen Einrichtungen in nahezu allen Kommunen Deutschlands gegeben ist.

550.000 Wohneinheiten für Senioren
müssen in den kommenden Jahren gebaut werden.

58 Prozent der Rentner können sich Mittelklasse leisten

Grundsätzlich bietet eine Einrichtung des betreuten Wohnens barrierefreien Wohnraum mit einem Grund- und verschiedenen Wahlservices. Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Anbieter stark voneinander, sowohl in der baulichen Ausstattung als auch in den angebotenen Dienstleistungen. Die Differenzierung innerhalb des Markts für betreutes Wohnen ist durchaus mit dem Hotelmarkt vergleichbar. Entsprechend der Größe und Ausstattung der Wohnungen, den verfügbaren Gemeinschaftsflächen (etwa Veranstaltungsräume oder Sportanlagen) sowie den angebotenen Services unterscheiden sich auch die Preise stark. Eine Untersuchung der Kaufkraft älterer Menschen zeigt, dass ein Großteil von ihnen über die finanziellen Mittel verfügt, um höherwertige Angebote zu bezahlen. Wenn die Miete – inklusive Nebenkosten sowie Dienstleistungen im Rahmen des betreuten Wohnens – nicht mehr als die Hälfte des verfügbaren Monatseinkommens betragen soll, kann gegenwärtig weit mehr als die Hälfte (genauer: 58 Prozent) der Rentner bis zu 1.000 Euro monatlich dafür ausgeben. Dieser Betrag ist bereits mehr als ausreichend für ein solides Mittelklasse-Angebot, das im Klassifizierungssystem der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) e. V. zwei Sterne erhalten würde. 27 Prozent der Rentner könnten sogar 2.000 Euro pro Monat ausgeben, was eine Vier-Sterne-Einrichtung mit hochwertigem Wohnkomfort und Service ermöglicht.

Je nachdem, welchen Lebensstil die Senioren gewohnt sind, haben sie nach dem Umzug in eine betreute Wohnung entsprechende Ansprüche. Der beschriebene Angebotsmangel erschwert jedoch selbst den kaufkräftigsten unter ihnen häufig, eine wohnortnahe Einrichtung zu finden, die diesen Ansprüchen genügt. Ein spezifisches Problem entsteht dabei aus der Dominanz kleinerer Einrichtungen mit bis zu 30 Wohneinheiten – sie machen ungefähr die Hälfte des aktuellen Angebots aus. Die geringe Größe führt allerdings dazu, dass bestimmte Services gar nicht erst zur Verfügung stehen, weil sie aufgrund baulicher und organisatorischer Gegebenheiten entweder kaum möglich oder im Betrieb sehr unwirtschaftlich wären. Im Bereich der größeren Einrichtungen, insbesondere mit 100 oder mehr Wohneinheiten, besteht also noch einmal besonderer Bedarf.

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Investitionspotenzial von 64,5 Milliarden Euro

Insgesamt besteht in Deutschland eine durch demografische Daten gesicherte Nachfrage von circa 850.000 Wohneinheiten. Davon existiert bisher nicht einmal die Hälfte. 550.000 Wohneinheiten müssten in den kommenden Jahren neu zur Verfügung gestellt werden, um den Bedarf zu decken. Diese teilen sich wiederum in verschiedene Kategorien auf – je nach Qualität und Umfang des Angebots beziehungsweise Kaufkraft der Zielgruppe. Im Zwei-Sterne-Bereich mit monatlichen Kosten von etwa 900 Euro lässt sich ein Investitionspotenzial von 100.000 Wohneinheiten errechnen, im Vier- bis Fünf-Sterne-Bereich (ab 1.800 Euro pro Monat) kommen weitere 100.000 Wohneinheiten hinzu. Eine weitere Gruppe sind 150.000 Senioren-Haushalte, die sich Wohn- und Servicekosten von etwa 600 Euro pro Monat leisten können. Auf dem aktuellen Markt ermöglicht ihnen das eine 30-Quadratmeter-Wohnung mit grundständigem Service (ein Stern in der gif-Klassifikation). Weitere 200.000 Haushalte mit Bedarf haben weniger als 600 Euro monatlich zur Verfügung; dennoch müssen auch sie versorgt werden. Dies wird teils durch familiäre, teils durch staatliche Unterstützung geschehen. Insgesamt ergibt sich für die gesamte Bundesrepublik über alle Kategorien hinweg ein Investitionspotenzial in Höhe von 64,5 Milliarden Euro. Selbstverständlich gibt es regionale Unterschiede. Jedem Investment sollte deshalb eine sorgfältige Analyse vorangehen, unter anderem, was die konkrete Kaufkraft, den Bedarf sowie das bereits vorhandene Angebot in einem bestimmten Ort betrifft. Darin unterscheiden sich Servicewohnungen letzten Endes nicht von jedem anderen nachhaltigen Investment. Eine Besonderheit dieses Teilsegments ist allerdings, dass es sich lohnt, von Anfang an die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Betreiber zu suchen, der den Markt und die besonderen Ansprüche kennt. Das hilft nicht nur, möglichst gezielt zu investieren: Eine vertrauensvolle, von gegenseitigem Respekt geprägte Kooperation mit dem zukünftigen Betreiber einer solchen Immobilie trägt auch dazu bei, dass die Einrichtung langfristig erfolgreich ist – und damit eine zuverlässige Rendite generiert.

Autor: Dr. Michael Held, Terragon AG
Quelle: immobilienmanager