Ist eine Tagespflege für Kinder öffentlich zugänglich und muss daher barrierefrei sein oder nicht? Es kommt darauf an ...
Das OVG NRW stuft eine Tagespflegeeinrichtung für bis zu neun Kinder als nicht öffentlich zugänglich ein und verneint damit auch die Frage nach der baulichen Barrierefreiheit. Voraussetzung ist aber, dass insbesondere der Kreis der abholberechtigten Personen feststeht und grundsätzlich kein Zugang für Dritte besteht.
Hintergrund war der Streit um die geplante Nutzungsänderung einer Gewerbeeinheit, die als KiTa genutzt werden soll. Zwar liegen die Räume im EG, sind aber von der Straße aus nur über mehrere Stufen zu erreichen. An der Rückseite fällt das Gelände ab. Der dortige Balkon befindet sich mehrere Meter über dem Boden.
Die Baugenehmigungsbehörde lehnte den Antrag auf Nutzungsänderung ab, u.a. mit Hinweis auf mangelnde Barrierefreiheit nach § 49 Abs. 2 BauO NRW: „Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen barrierefrei sein. Öffentlich zugänglich sind bauliche Anlagen, wenn und soweit sie nach ihrem Zweck im Zeitraum ihrer Nutzung von im Vorhinein nicht bestimmbaren Personen aufgesucht werden können. Dies gilt insbesondere für […] 3. Einrichtungen des Gesundheitswesens […]“
Dagegen wandte sich die Klägerin und argumentierte, dass es sich nicht um eine öffentlich zugängliche Einrichtung handele, da der Kreis der Nutzer und Besucher jederzeit bestimmbar sei. Das sah das OVG NRW genauso.
Aus den Entscheidungsgründen des OVG NRW:
- Personenkreis bestimmbar | Sowohl der Kreis der Mitarbeitenden als auch der der Kinder und Abholberechtigten ist im Vorhinein bestimmbar (u.a. wegen vertraglicher Vereinbarungen).
- Keine Nutzung durch die Allgemeinheit | Die KiTa ist nicht der Allgemeinheit gewidmet (keine Laufkundschaft, keine unangekündigten Besucher). Anders als z.B. in Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen, die auch Besuchern offenstehen, gestattet die Betreiberin der KiTa den Zutritt nicht.
- KiTa nicht vergleichbar mit Schulgebäude | „Während Schulgebäude nicht nur dem Schulbetrieb mit einer personell bestimmbaren Schüler- und Lehrerschaft dienen, sondern gerade auch außerhalb der Unterrichtszeiten anderweitig genutzt werden, etwa durch Volkshochschulen und Vereine oder Betriebssportgruppen oder als Wahllokale und kulturelle Veranstaltungsstätten, gilt dies für eine Großtagespflege, in der bis zu neun Kinder betreut werden, ersichtlich nicht. Auch können Schulgebäude, anders als das Vorhaben, grundsätzlich innerhalb der Öffnungszeiten von der Öffentlichkeit betreten werden.“
- Kein großer Sonderbau | Nach § 50 Abs. 2 Nr. 11 BauO NRW zählen „Einrichtungen zur Unterbringung von Personen sowie Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung und alte Menschen“ zwar zu den großen Sonderbauten „Tageseinrichtungen einschließlich Tagespflege für nicht mehr als zehn Kinder“ sind jedoch ausdrücklich ausgenommen.
Fazit
Im Sinne der Inklusion sicher kein zufriedenstellendes Urteil. Andererseits handelt es sich hier um einen individuellen Einzelfall im Bestand und eine vergleichsweise kleine Einrichtung. Grundsätzlich wird die Frage nach der Barrierefreiheit von Kindertagesstätten sicherlich zu bejahen sein. Wobei bei jedem Bauvorhaben dann individuell festzulegen ist, welche Bereiche öffentlich zugänglich sind und welche nicht. Mehr zum Thema Besucher- und Benutzerverkehr sowie bedarfsgerechter Barrierefreiheit im „Atlas barrierefrei bauen“ »
Hier können Sie das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen im Volltext nachlesen: Urteil vom 23.11.2023 - 10 A 1499/22
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