Personen in einem Gemeinschaftsraum eines Altenpflegeheims mit einer Pflegerin
Quelle: Jsme MILA (Pexels)

Wohnen 2024-02-07T10:33:58.576Z Im Alter barrierefrei bauen

Bauplanung

Zwei Mio. Wohnungen für Senioren werden bis 2035 fehlen1. Was Planer für diese Zielgruppe berücksichtigen müssen, ist gesetzlich aber nicht festgelegt. Die DIN 18040-2 für barrierefreie Wohnungen gibt Orientierung, adressiert die Bedürfnisse älterer Menschen aber nur eingeschränkt. Das führt mitunter zu Missverständnissen zwischen Käufern und Bauträgern. Damit die Abnahme gelingt, sollte der gewünschte Standard und die besonderen Bedarfe von Senioren vorab geklärt und in der Baubeschreibung offengelegt sein.

Wohnen im Alter stellt besondere Ansprüche an die Planung. Doch während es für Pflegeeinrichtungen klare gesetzliche Vorgaben gibt, bleibt für Wohnungen undefiniert, wie sie altersgerecht werden. In Baubeschreibungen häufig verwendete Begriffe wie „seniorengerecht“ oder „barrierearm“ sind ungenau und oft weicht die Erwartungshaltung der Käufer von dem ab, was Bauträger später umsetzen. Im Streitfall entschieden Gerichte bisher teils unterschiedlich, welche Anforderungen mit solchen Begriffen impliziert sind. 2018 erweiterte das BGB mit Paragraf 650k die Verantwortung der Bauträger: Ist die Baubeschreibung uneindeutig, müssen sie Zweifel des Käufers widerlegen. Deshalb sollten Bauplaner frühzeitig klären, wie sie die Bedarfe von Senioren berücksichtigen. Und welche das sind.

Was gehört zur Barrierefreiheit im Alter?

Ältere Menschen sind weniger beweglich und kräftig. Sie leiden öfter unter Schwindel und einem schlurfenden Gang, was die Gangsicherheit allgemein beeinträchtigt. So werden Treppen und Unebenheiten im Boden, aber auch hohe Türbedienkräfte schnell zum Problem. Für viele Senioren gehört der Rollator als Gehhilfe zum Alltag. Sein Einsatz erfordert aber entsprechende Rangierflächen, was bei der Planung von Fluren und Türdurchgängen sowie der Aufteilung und Größe der Räume berücksichtigt werden muss. Weil auch das Sehen und Hören mit zunehmendem Alter schwieriger wird, sind Orientierungshilfen wichtig. Dazu gehört auch ein durchdachtes Beleuchtungskonzept, das z. B. die erhöhte Blendempfindlichkeit berücksichtigt. Aber auch Haltegriffe oder Leitstreifen am Boden können helfen.

Eine häufige Begleiterscheinung im Alter ist Demenz. Erkrankte sind schnell orientierungslos und benötigen bekannte Abläufe. Planer müssen dies vor allem bei der Installation der Bedienvorrichtungen beachten. So würde eine herabgesetzte Bedienhöhe der Lichtschalter von 85 cm, wie sie für Rollstuhlfahrer hilfreich sein kann, die Orientierung von Bewohnern mit Demenz erschweren. Bei der Sanitärplanung sind ggf. der erhöhte Assistenzbedarf durch ambulante Pflegekräfte oder Duschhocker zu berücksichtigen. Duscharmaturen sollten daher nicht in der Ecke, sondern am Rand der Dusche platziert werden, damit die Pflegekraft vor ihr sitzende Menschen abbrausen kann. Genügend Platz muss auch für Rangier- und Bewegungsflächen eingeplant werden, vor allem neben dem WC und dem Waschbecken. Letzteres sollte Beinfreiheit erlauben, um es im Sitzen nutzen zu können. Des Weiteren sollte die Planung unter anderem folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Integrierte Stütz- und Haltegriffe an den Wänden
  • Hohe Kontraste zwischen Wand, Boden, Sanitärobjekten und Armaturen
  • Einhebelarmaturen zur leichteren Bedienbarkeit
  • Bodengleiche Ausführung der Dusche und flexible Duschabtrennungen
  • Rutschhemmende Bodenbeläge

Normative Grundlage

Um barrierefreie Voraussetzungen speziell für ältere Menschen im Wohnungsbau zu schaffen, reichen die gesetzlichen Anforderungen mitunter nicht aus. Sind barrierefreie Wohnungen gefordert, müssen sich Planer an den bauordnungsrechtlichen Vorgaben und in vielen Fällen an der DIN 18040-2 – Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen orientieren. Barrierefrei sind bauliche Anlagen demnach, wenn sie für die Bewohner „in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“2 Um dies zu erreichen, stellt sie Schutzziele auf und empfiehlt Maßnahmen. Weiter formuliert sie zwei Standards: Der Basisstandard beschreibt Wohnraum, der barrierefrei nutzbar ist (B-Standard), der R-Standard weist Wohnraum als „uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar“ aus. Beide Standards werden jedoch nicht vollumfänglich den Bedarfen von älteren Menschen gerecht (Bedienhöhe, Bewegungsflächen, ggf. ambulante Pflege).

Tipp: Mehr zum Unterschied zwischen B- und R-Standard

Anforderungen spezifizieren

Um die DIN 18040-2 optimal im Hinblick auf die Bedarfe von Senioren anzuwenden, müssen Bauplaner die Empfehlungen differenzieren. Dafür lässt die Norm auch ausdrücklich Spielraum: So erläutert sie, dass die gestellten Anforderungen für ältere Menschen unter Umständen nur Nutzungserleichterungen bedeuten und für spezielle Nutzergruppen gegebenenfalls andere oder zusätzliche Anforderungen notwendig sein können. Planer sollten daher früh definieren, welche Bedarfe ihre Zielgruppe hat. Die Baubeschreibung sollte Begriffe wie „seniorengerecht“ nur führen, wenn ihnen konkrete Ausstattungsmerkmale zugewiesen sind. Zudem sollte sie festlegen, welche Teile des Gebäudes diese erfüllen. TÜV SÜD unterstützt Bauplaner dabei, im Rahmen einer Bedarfsplanung die Anforderungen aller Bewohner herauszuarbeiten und baulich umzusetzen.

[1] IW-Trends 2/2023: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/IW-Trends/PDF/2023/IW-Trends_2023-02-07_Deschermeier.pdf

[2] Normenausschuss Bauwesen, DIN 18040-2: https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/planungsgrundlagen_barrierefreies_bauen.pdf

Autor

Klaus Helzel Sachverständiger für Bautechnik
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
klaus.helzel@tuvsud.com | www.tuvsud.com/de-is

zuletzt editiert am 01. März 2024