Die Entwürfe zur neuen DIN 18040 liegen seit Anfang 2023 vor. Die finalen Fassungen sollten spätestens im Februar 2024 erscheinen, denn dann läuft die 36-monatige Übergangsfrist ab.
Hintergrund ist eine Übernahmeverpflichtung für europäische Normen. Die europäische Barrierefrei-Norm DIN EN 17210 war bereits 2021 erscheinen und muss innerhalb dieser Frist in nationales Recht übernommen werden. Die Anpassung der deutschen DIN 18040 ist zwingend erforderlich, da nationale Normen den europäischen Normen nicht entgegenstehen dürfen. Entsprechend mussten die Anforderungen der DIN 18040 angepasst werden, um bestehende Widersprüche zur DIN EN 17210 aufzulösen. Die widerspruchsfreien Neufassungen der DIN 18040 ersetzt dann zusammen mit der europäischen DIN EN 17210 die Vorgängerfassung der DIN 18040 von 2010/2011/2014. Nach mehr als 20 Sitzungstagen und über 1.200 Einsprüchen laufen die Beratungen im Normenausschuss noch immer – und die Neufassungen lassen weiter auf sich warten.
Was bedeutet das für das Barrierefreie Bauen in Deutschland und für die tägliche Arbeit von Architekt:innen, Planern und Bauherr:innen? Wir haben beim DIN Deutsches Institut für Normung nachgefragt.
bfb: Obwohl die 36-monatige Übergangsfrist zwischenzeitlich abgelaufen ist, liegen die Neufassungen der DIN 18040 noch nicht vor. Ist jetzt mit Sanktionen seitens Europa zu rechnen?
DIN: Innerhalb der 36-monatigen Übergangsfrist von EN 17210 sind alle in CEN vertretenen nationalen Standardisierungsorganisationen angehalten nationale Normen, die in den Anwendungsbereich von EN 17210 fallen, zurückzuziehen oder entsprechend zu überarbeiten. Auch bei diesem Verfahren sind unserer Grundsätze der Erarbeitung von Normen einzuhalten. Die Überarbeitung von DIN 18040 (alle Teile) wurde mit dem Ziel der Veröffentlichung bis Januar 2024 gestartet. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens sind zu allen Teilen der Normenreihe etwa 1.000 Kommentare eingegangen. Diese ziehen eine intensive Beratung der Einsprüche nach. Unabhängig von der Übergangsfrist kann die gremieninterne Einspruchsberatung erst abgeschlossen werden, wenn im Gremium Konsens darüber besteht.
bfb: Müssten nach Ablauf dieser Frist jetzt nicht die drei alten Teile der DIN 18040 von 2010/2011/2014 zurückgezogen werden? Dann gäbe es im deutschen Normenwerk nur noch die europäische DIN EN 17210.
DIN: Es gibt keine unmittelbaren Konsequenzen, die bauaufsichtlich eingeführten Normen sind in der MVV TB zitiert und bleiben dies zunächst auch. Es wäre für den Anwender verwirrend, wenn wir die drei Teile zurückziehen würden, nur weil sich die Überarbeitung hinzieht. Der Prozess hat sich verzögert. Das kann in der Normung vorkommen.
bfb: Wann wird die neue DIN 18040 voraussichtlich erscheinen? Ist eine zeitgleiche Herausgabe aller drei Teile geplant? Und warum dauert es so lange?
DIN: Ja, es ist eine zeitgleiche Veröffentlichung aller Normenteile geplant. Wann dies der Fall sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht realistisch zu prognostizieren. Sowohl die Anzahl der Kommentare als auch der Inhalt der Kommentare bedingen eine zeitintensive Beratung. Auch diese Beratung findet nach dem Konsensprinzip statt.
bfb: In welchem Umfang werden sich die finalen Fassungen von den Entwurfsfassungen unterscheiden? Immerhin gab es über 1.000 Einsprüche. Andererseits scheint der Überarbeitungsspielraum aufgrund der geforderten „Widerspruchsfreiheit“ zur DIN EN 17210 zumindest limitiert.
DIN: Entsprechend der Einsprüche werden ggf. Textstellen hinsichtlich der Einsprüche angepasst. Einsprüche, die im Widerspruch zu DIN EN 17210 stehen, werden abgelehnt oder entsprechend widerspruchsfrei modifiziert angenommen.
bfb: Stichwort Rechtssicherheit*: Was raten Sie denjenigen, die jetzt barrierefreie Bauprojekte projektieren, planen, bauen bzw. genehmigen? An welchen Standards kann oder sollte man sich in dieser Übergangszeit orientieren?
DIN: Rechtsgültig ist die Fassung, die bauaufsichtlich in Bezug genommen ist. Bitte beachten Sie zur Rechtsverbindlichkeit: https://www.din.de/de/ueber-normen-und-standards/normen-und-recht/rechtsverbindlichkeit-durch-normen
[*Architekten schulden ein mangelfreies Werk. Ein Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit besitzt. Üblicherweise werden in Architektenverträgen aber nicht alle Beschaffenheitsmerkmale detailliert erfasst, so dass Verwendungszweck und übliche Beschaffenheit maßgeblich sind, die sich aus den anerkannten Regeln der Technik ergeben. Entscheidend ist, dass die anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme eingehalten werden – und diese Regeln und Standards können sich im Laufe eines Bauvorhabens durchaus verändern, z.B. durch neue oder geänderte DIN-Normen. Aus bauordnungsrechtlicher Sicht kann ein Bauvorhaben zwar noch entsprechend der ursprünglichen Baugenehmigung fertiggestellt werden. Dennoch besteht für Architekt:innen u.U. eine zivilrechtliche Gefahr, da sie aufgrund veralteter Vorschriften ggf. eine fehlerhafte Leistung erbringen.]
