Sonderkonstruktionen sind nicht per se riskant

In einem aufschlussreichen Sachverständigenbericht räumt Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller, Architekt und ö.b.u.v. Sachverständiger, mit dem Vorurteil auf „Sonderkonstruktionen für Abdichtungen an niveaugleichen Schwellen“ seien per se riskant. Lesen Sie hier Auszüge aus dem Beitrag aus IBR Immobilien- & Baurecht, Ausgabe 1.2019:

„DIN 18531-1 sowie die Flachdachrichtlinie regeln u. a. Gefälleanforderungen und niveaugleiche Türschwellen von barrierefreien Zugängen. Die Regelwerke beschreiben barrierefreie, niveaugleiche Übergänge als abdichtungstechnische Sonderkonstruktion oder Sonderlösung, bei der das Eindringen von Wasser und Hinterlaufen der Abdichtung zu verhindern ist. Dazu wird beispielhaft eine Reihe von möglichen Maßnahmen genannt, die entweder einzeln oder in Kombination vorgesehen werden können. Eine abschließende Regelung enthält keines der Regelwerke.

Sonderkonstruktion in Regelwerken

Technische Regelwerke regeln Technik und damit einen Teil von juristischen Ansprüchen, die sich aus Verträgen ergeben. Das Bauwesen ist komplex, nicht alle Details können beschrieben werden. Man verweist gerne auf anerkannte Regeln der Technik, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass der rechtlich bedeutsame Begriff „technisch“ unbestimmt ist und bei jedem andere Assoziationen hervorrufen kann.
In Ausschüssen die Regelwerke erarbeiten wird der Begriff „Sonderlösung“ oder „Sonderkonstruktion“ als eine Technik verstanden, die im betreffenden Regelwerk nicht abschließend geregelt werden kann oder soll. Dazu gibt es neben den niveaugleichen Türschwellen eine Reihe von Beispielen, die […] genauso zuverlässig […] möglich sind.

Planungen können Prinzipien vorgeben, die einen jeweils unterschiedlichen Zuverlässigkeitsgrad haben können. Letztlich hängt aber das Risiko, ob etwas funktioniert oder nicht, insbesondere von der Sorgfalt des Ausführenden ab. Bauen ohne Risiko gibt es nicht. […]

Der Begriff „Sonderkonstruktion für Abdichtungen an niveaugleichen Schwellen“ meint ebenfalls nicht ein erhöhtes Risiko, sondern nur, dass für solche Abdichtungsanschlüsse Lösungen notwendig werden, die nicht im Regelwerk (abschließend) beschrieben sind. Insbesondere der obere Rand der Abdichtung kann mit einfachen Regelwerkstandarddetails nicht hinreichend sicher verhindern, dass Wasser hinter die Abdichtung gelangt. Es gibt aber mittlerweile eine Reihe von Lösungen, die genauso zuverlässig planbar und ausführbar sind wie die in den Regelwerken beschriebenen Konstruktionen, die aber wegen der Aufkantungshöhen häufig nicht (mehr) umsetzbar sind. Man kann so weit gehen: Wenn Abdichtungsanschlüsse an niveaugleichen Schwellen die Bereiche im Innenraum dauerhaft und zuverlässig schützen, können diese Konstruktionen auch an anderen Stellen der Sockelzonen angewendet werden.

Fazit

Juristisch gelten Sonderkonstruktionen als weniger zuverlässig gebrauchstauglich. Es wundert aber, warum aus den Regelwerken herausgelesen wird, dass […] niveaugleiche Schwellen riskante Sonderkonstruktionen seien. Das wird weder in Regelwerken so beschrieben, noch ist es so gemeint. Der Begriff „Sonderkonstruktion“ ist in Regelwerken als ein Synonym für „nicht dort abschließend geregelt“, aber nicht als eine grundsätzlich weniger zuverlässige Ausführung zu verstehen.

Quelle:  IBR Immobilien- & Baurecht, Ausgabe 1.2019, Beitrag „Sonderkonstruktionen“ vs. Sonderkonstruktionen“ von Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller, Architekt und ö.b.u.v. Sachverständiger

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