
Dachterrassen liegen voll im architektonischen Trend – genauso wie Staffelgeschosse, die den Zugang zu diesen Dachterrassen ermöglichen. Eine Problemzone ist dabei der Türbereich. Dort stehen Barrierefreiheit und bautechnisch korrekte und sichere Ausführung in einem starken Spannungsfeld. Der Zugang zu einer Dachterrasse in Holzbauweise stellt Planer und Handwerker jedoch vor schwierige Herausforderungen. Einerseits gilt es geltende technische Regeln zu Abdichtungshöhen einzuhalten, andererseits bestehen Anforderungen oder Wünsche nach einem barrierefreien Zugang. Bei Flachdächern in Holzbauweise mit Zwischenbalkendämmung ist außerdem der Tauwasserschutz zu beachten. Mit Sonderlösungen im Bereich der Türabdichtung und geeigneten feuchtevariablen Dampfbremsen kann dieses anspruchsvolle Detail gelöst werden.

(Quelle: WOLFIN Bautechnik)
In der Planung von öffentlichen Räumen muss sich der Architekt außerdem mit den Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) auseinandersetzen, denn dieses definiert, dass bauliche Anlagen barrierefrei sind, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“ Entsprechend der Landesbauordnungen, müssen in der Regel in allen öffentlichen Neubauten verbindlich die Grundsätze der Barrierefreiheit umgesetzt werden. Aber auch im (gehobenen) Wohnungsbau machen sich die Menschen Gedanken, wie sie die einzelnen Räume bzw. Einrichtungen im Alter noch leicht schwellenlos erreichen können.
Die Kapitel C 4.3 und C 4.4 des Atlas barrierefrei bauen widmen sich sowohl schwellenfreien Konstruktionen von Außentüren und Fenstertüren als auch schwellenfreien Übergängen, inkl. anschaulicher Zeichnungen und Praxisbeispielen. |
Bauteil mit Konfliktpotenzial

Der Planer stellt rasch fest, dass sich die gewünschte Holzbaukonstruktion nicht mal eben aus dem Standardbaukasten zusammenstellen lässt, denn die technischen Regeln widersprechen sich, wenn es um Barrierefreiheit geht. So formuliert die DIN 18040, welche die Belange des barrierefreien Bauens hinsichtlich der Planung regelt, das „untere Türanschläge und -schwellen […] nicht zulässig [sind]. […] Wenn einer Wohnung ein Freisitz (Terrasse, Loggia oder Balkon) zugeordnet wird, muss dieser barrierefrei nutzbar sein. Er muss dazu von der Wohnung aus schwellenlos erreichbar sein“. Dem gegenüber stehen das Regelwerk des Dachdeckerhandwerkes und die DIN 18195-9 welche eine Mindestanschlusshöhe von 15 cm vorgeben.

(Quelle: Alumat Frey GmbH)
Hoffnung bietet die DIN 68800-2. Sie nähert sich dem barrierefreien Planungsziel an, indem sie im Türbereich eine Sockelausbildung mit einer Höhe von 5 cm toleriert, wenn ein einwandfreier Wasserablauf gewährleistet ist und ein rinnenförmiges Entwässerungsrost zur Spritzwasserminimierung vorgesehen wird.
Es ist leicht vorstellbar, dass ein Sockel mit einer Höhe von 5 cm im Einzelfall für Menschen mit Behinderung ein unüberwindbares Hindernis darstellen kann. Damit ist die Forderung des BGG nicht erfüllt – derartige Konstruktionen dürfen entsprechend dem BGG nicht in öffentlichen Gebäuden vorgesehen werden.
Sonderlösung bei zu geringer Abdichtungshöhe
Es bleibt die Anschlusshöhe weiter zu reduzieren, damit auch Menschen, die etwa auf einen Rollstuhl angewiesen sind, leicht auf die geplante Dachterrasse gelangen können. Dadurch wird der Anschluss abdichtungstechnisch zu einer Sonderlösung, denn die Dichtheit kann nicht allein durch die Abdichtung erfolgen. Damit der Anschluss erfolgreich hergestellt werden kann und dauerhaft funktioniert muss er zwischen dem Planer, dem Türhersteller und dem Ausführenden abgestimmt werden. Neben den bereits von der DIN 68800-2 empfohlenen rinnenförmigen Entwässerungsrosten ist auf eine ausreichende Gefällegebung der Abdichtung zu achten. Feuchtigkeit muss vom Gebäude weggeleitet, Staunässe vermieden werden. Dies gilt auch für den Belag, der auf Dachterrassen in Holzbauweise oft aus Holzdielen besteht.
Als ergänzender Schutz können Überdachungen im Bereich der Türen vorgesehen werden. Diese verringern die Regenlast auf den Anschluss der Abdichtung im Bereich der Terrassentür.

Ein unbedingtes Muss sind spezielle Abdichtungsfunktionen für die Tür. Da die herkömmlichen Gummidichtungen infolge der fehlenden Schwelle hier nicht zur Anwendung kommen können sind Magnetdichtungen eine sinnvolle Lösung, um eine schwellenfreie Ausführung zu ermöglichen. Integrierte Wassersammelkammern sorgen zudem dafür, sollte Wasser in die untere Türabdichtung gelangen, dass dieses sicher auf die Abdichtung geleitet wird. Dadurch wird verhindert, dass bei Schlagregen Feuchtigkeit ins Gebäude gelangen kann. Dieses schwellenfreie Element wird vom Türhersteller während der Produktion in den Fensterrahmen integriert und ist damit fester Bestandteil des Fensters.
Werksseitig aufgebrachte Abdichtungen bieten Sicherheit
Damit der Anschluss von der Schwelle an die Flachabdichtung einfach hergestellt werden kann und dauerhaft dicht ist, werden werksseitig industriell vorgefertigte Abdichtungen, die bereits an der Schwelle befestigt sind, eingesetzt. Damit wird der Empfehlung der Flachdachrichtlinien bzgl. einer Schwelle mit einer speziellen Abdichtungsfunktion bei barrierefreien Übergängen gefolgt. Der seitliche Abschluss wird aus Kunststoff-Halteplatten gebildet, die fest mit dem Schwellenelement und dem Fensterrahmen verbunden sind. In diese können mit einem Metallwinkel versehene Streifen der Abdichtungsbahn eingeführt werden. Die horizontalen und vertikalen Abdichtungsbahnen werden vor Ort miteinander bzw. mit der Abdichtungsbahn des Flachdaches verschweißt. Die Möglichkeit fehlerhafter Anschlüsse wird dadurch auf ein Minimum reduziert.

Es ist hinlänglich bekannt, dass Flachdächer mit Aufdachdämmungen hinsichtlich des Tauwasserschutzes zu den sicheren Konstruktionen gehören. Leider lassen sich mit diesem Bauteilaufbau nicht alle Wünsche von Architekten und Bauherrschaft erfüllen. Zum einen soll natürlich eine robuste Konstruktion für eine dauerhafte Funktion sorgen. Zum anderen wollen auch architektonische Gesichtspunkte und Wärmeschutzanforderungen berücksichtigt werden. Hohe Energiestandards können nicht alleine durch eine Aufdachdämmung erreicht werden, da bei großzügig geplanten Dachterrassen und durchgehenden Decken die Dicke des Dämmstoffpaketes aufgrund des erforderlichen Wasserablaufs keine barrierefreie Ausführung mehr ermöglicht.
An dieser Stelle können die Vorteile der Aufdachdämmung, welche durch eine doppelte Dichtung das darunter liegende Tragwerk schützt mit zwischen den Traghölzern gedämmten Holzbaukonstruktionen kombiniert werden. Dadurch werden in der Holzbaukonstruktion Bauteilsicherheit und Effizienz vereint.
Feuchteschutz nachweisen
Hierfür ist eine feuchtetechnische Bemessung erforderlich. Das bedeutet, dass im Rahmen des Feuchteschutznachweises die Stärke der Aufdachdämmung so bemessen wird, dass die Dachschalung oberhalb der Traghölzer keine erhöhten Feuchtegehalte aufweist.

(Quelle: Alumat /pro clima)
Die Bemessung erfolgt mittels hygrothermischer Simulation nach DIN EN 15026 unter Berücksichtigung der Anforderungen, die durch die WTA-Merkblätter 6-2 und 6-8 formuliert werden. Aus Gründen der Bauteilsicherheit ist es sinnvoll eine feuchtevariable Dampfbremse vorzusehen. Dann kann auch unvorhergesehene Feuchte in gewissen Mengen nach innen austrocknen. Diese muss entsprechend den Anforderungen der Bauproduktenverordnung sowie der DIN 68800-2 über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis verfügen. Dieser wird idealerweise durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erbracht. Vorteil ist, dass die im Rahmen der Zulassung die Dauerhaftigkeit der feuchtevariablen Funktion unabhängig durch ein Prüfinstitut geprüft wird.
Im Rahmen der CE-Kennzeichnung nach DIN EN 13984, können hingegen weder die feuchtevariablen Materialeigenschaften, noch deren Dauerhaftigkeit überprüft werden. Weiterhin fordert die Zulassung die regelmäßige Entnahme von Material durch das Prüfinstitut zur Überprüfung der gleichbleibenden Produktqualität direkt aus der Produktion. Dies bietet größtmögliche Sicherheit – für den (rechts-)sicheren Einsatz der Dampfbremse sowie für den Tauwasserschutz des Flachdachs.
Fazit: Barrierefreie Dachterrassen benötigen Aufmerksamkeit
Sichere Bauteile und Barrierefreiheit sind Themen die in Zukunft immer mehr an Gewicht gewinnen werden. Durch die Einhaltung von einfachen Bauregeln lässt sich die bauphysikalisch und ausführungstechnisch anspruchsvolle Aufgabe lösen: Sorgfalt bei Planung, Ausschreibung, Ausführung und koordinierender Bauleitung sowie regelmäßige Wartung nach Fertigstellung
Autor: Michael Förster ist Zimmerer und Diplom-Bauingenieur und Leiter der pro clima Anwendungstechnik (www.proclima.de).
Erschienen in: bmH bauen mit Holz
bmH bauen mit Holz liefert aktuelles Fachwissen, damit der Leser technisch fachgerecht Objekte plant und baut, sich im Holzbaumarkt behauptet, Märkte erkennt und erschließt.