Schwellenlos kontra dicht?

Schwellenfreie Außen- und Fenstertürkonstruktionen müssen sowohl den Anforderungen an die bauliche Barrierefreiheit als auch an die Bauwerksabdichtung entsprechen. Hier sind abdichtungstechnische Sonderlösungen gefragt, die zwischen Planern, Herstellern und Ausführenden sowie Bauherren abzustimmen sind. Sonst droht ein erhöhtes Haftungsrisiko.

Beispiel einer schwellenfreien Außentür mit Magnettürdichtungssystem inklusive eines Gitterrostes zur Ableitung von Niederschlag.
Beispiel einer schwellenfreien Außentür mit Magnettürdichtungssystem inklusive eines Gitterrostes zur Ableitung von Niederschlag. (Quelle: Alumat Frey GmbH)

Schwellen an Eingangstüren waren in der Bauhistorie ein probates Mittel gegen das Eindringen von Niederschlagswasser in den Innenraum. Schon seit den 1970er-Jahren gelten Türschwellen grundsätzlich als Barrieren. Gerade in der heutigen Zeit werden zur Erfüllung bauordnungsrechtlicher Vorgaben für eine barrierefreie Erschließung „schwellenfreie Türen“ gefordert. Dies gilt für öffentlich zugängliche Gebäude ebenso wie für Türen- und Fenstertüren in Gebäuden mit barrierefreien oder rollstuhlgerechten Wohnungen. Die bauordnungsrechtlichen Vorgaben stellen dabei auf die bundeslandspezifischen Technischen Baubestimmungen ab, in die die Normen zum barrierefreien Bauen DIN 18040-1/-2 Eingang gefunden haben. Somit sind diese Vorgaben als allgemein anerkannte Regeln der Technik zu betrachten, welche im Leitfaden Barrierefreies Bauen durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) bestätigt worden sind. Im begründbaren Einzelfall sehen die Normen zum barrierefreien Bauen aber Ausnahmeregelungen vor, wenn diese „technisch unabdingbar“ sind. Dann – und auch nur dann – dürfen Türanschläge und -schwellen bis zu einer Höhe von maximal 20 mm ausgebildet werden. Das gilt beispielweise für Laborräume, wenn der Verdacht bestünde, dass flüssige Gefahrenstoffe unbeabsichtigt austreten könnten. Ob im konkreten Einzelfall eine Türschwelle oder ein Türanschlag technisch unabdingbar ist, muss anhand objektbezogener und konstruktiver Einflussfaktoren – gegebenenfalls durch einen Sachverständigen – schlüssig nachgewiesen werden. Die Verantwortung zum Nachweis, ob „technisch unabdingbar“ für den Einzelfall gilt, obliegt dem Bauherrn bzw. dem von ihm beauftragten Planer.

Zwei Konstruktionsvarianten erfüllen alle technischen Ansprüche

Grafik eines Querschnittes eines Türdichtungssystems mit absenkbarer Bodendichtung und vorgelagerter Entwässerungsrinne.
Türdichtungssystem mit absenkbarer Bodendichtung und vorgelagerter Entwässerungsrinne. (Quelle: Grundmeier KG)

Die schwellenfreien Türkonstruktionen müssen neben den Anforderungen an die bauliche Barrierefreiheit auch die Mindestanforderungen hinsichtlich des Schlagregenschutzes, der Luftdurchlässigkeit, der Widerstandsfähigkeit bei Windlast sowie die Vorgaben des Wärme- und Schallschutzes erfüllen. Konstruktiv bieten sich hierfür entweder Magnettürdichtungssysteme oder Türdichtungssysteme mit absenkbaren Bodendichtungen an. Bei beiden Varianten ist die Kombination mit einem der Einbausituation entsprechend leistungsfähigen Entwässerungssystem entscheidend. Ein Magnettürdichtungssystem besteht aus einem in den Boden eingelassenen Schwellenprofil mit einer Erhabenheit von etwa 2 mm am inneren und äußeren Schwellenanschluss und einem im unteren Türflügel integrierten Gegenstück. Im Schwellenprofil lagern zwei Magnetstäbe. Im geschlossenen Zustand heben sich die Magnetstäbe an und dichten so den Anschluss ab.

Grafik einer absenkbare Bodendichtung im Schnittdetail.
Eine absenkbare Bodendichtung im Schnittdetail. (Quelle: Grundmeier KG)

Ergänzend kommen weitere Rund- und Lippendichtungen zum Einsatz, die jeweils vor beziehungsweise hinter den Magnetdichtungen angeordnet sind. Gelangen dennoch geringe Mengen an Niederschlag in den Bereich des Türdichtungssystems, wird die Feuchtigkeit im Schwellenprofil kontrolliert abgeleitet. Die zweite Möglichkeit, schwellenlose und dichte Türanschlüsse herzustellen, bieten Systeme mit absenkbaren Bodendichtungen. Im geöffneten Zustand lagert die Bodendichtung im Türflügel. Wird dieser geschlossen, senkt sich die Bodendichtung ab. Alsdann kann die Kippfunktion und die optionale Bodenverrieglung in der Schwelle durch die Betätigung des Fenstergriffs aktiviert werden. Zur kontrollierten Ableitung des unmittelbar an der Tür anfallenden Niederschlags ist als Systembestandteil eine Entwässerungsrinne vorgesehen. Die Einleitung des Niederschlags erfolgt dabei unmittelbar über die Öffnungen im Abdeckrost oder über eine bis zu 4 mm tiefe Absenkung innerhalb des Schwellenprofils.

AtlasTipp!
Weiterführende Informationen und Tipps zu schwellenlosen Übergängen finden Sie im Atlas barrierefrei bauen im Kapitel C 4.4 Schwellenfreie Übergänge


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Rechtstipp
Ein Rundschreiben des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg vom 16.12.2014 zur Einführung der DIN 18040-1/-2 stellt klar: „In Fällen, in denen die technische Erforderlichkeit einer Schwelle nur behauptet und nicht substantiiert begründet wird oder in denen die Planung einer schwellenlosen Erschließung gar nur schlicht vergessen wurde, liegen selbstverständlich keine Ausnahmen im Sinne der genannten technischen Regeln vor und es ist auf die Herstellung einer schwellenlosen Erschließung zu dringen.“

Die wichtigste Aufgabe: Das Wasser muss weg

Schnittgrafik eines Magnettürdichtungssystems in Kombination mit einer Entwässerungswanne und einer als Fußabstreifer ausgebildeten Abdeckung
Schnittgrafik eines Magnettürdichtungssystems in Kombination mit einer Entwässerungswanne und einer als Fußabstreifer ausgebildeten Abdeckung. (Grafik: Alumat-Frey GmbH)

Bei der Planung und Ausführung ist zwischen erd- und dachberührten Einbaupositionen zu unterscheiden. Erdberührte Außen- und Umfassungswände sind nach DIN 18195-4 gegen seitlich auftretende Feuchtigkeit abzudichten. Dabei muss im fertigen Zustand das obere Ende der Abdichtung mindestens 15 cm vertikal über die anschließende Geländeoberfläche reichen. Da das an schwellenfreien Außen- und Fenstertürenkonstruktionen nicht möglich ist, sind besondere Maßnahmen vorzusehen, wie etwa ausreichend dimensionierte Überdachungen und/oder Entwässerungsrinnen. Letztere müssen unmittelbar vor den Türen platziert werden. Bei erdberührten Außen- und Fenstertüren befindet sich das Entwässerungssystem quasi außerhalb des Gebäudes, denn die vertikale Abdichtung wird zwischen dem geschlossenen Rinnenkörper und dem Kellergeschoss oder dem Fundament angeordnet. Bestehen bei dieser Ausführungsvariante Mängel an der Entwässerung, führt das meist nicht dazu, dass Niederschlag in die Bausubstanz eindringt. Eher werden die angrenzenden Verkehrs- und Wegeflächen ausgespült, was Setzungen zur Folge haben kann, die wiederum zu Schwellen vor der Tür führen. Bei Außen- und Fenstertüren an genutzten oder nicht genutzten Dach- oder Deckenflächen sind die Konsequenzen ungleich höher. Kritisch ist dabei, dass die Entwässerungsrinne über der Abdichtung der darunterliegenden Dach- oder Deckenfläche angeordnet werden muss. Gelangt etwa aufgrund eines zu gering dimensionierten Entwässerungssystems in Kombination mit nicht dauerhaft ausreichend gesicherten Abdichtungsanschlüssen Wasser in die Dach- oder Deckenflächen unterhalb der Abdichtungsebene, führt dies langfristig unweigerlich zu erheblichen Zerstörungen der Bausubstanz. Für norm- und richtlinienkonforme Abdichtungen geben die Normen 18195-5 und 18195-9 sowie die Flachdachrichtlinie verschiedene Ausführungsvarianten mit Anschlusshöhen von 15 cm respektive 5 cm vor. Diese genügen nicht den Anforderungen an die bauliche Barrierefreiheit.

Normen und Richtlinien
  • DIN 18040-1:2010-10, Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude
  • DIN 18040-2:2011-09, Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen
  • DIN 18195-4:2011-12, Bauwerksabdichtungen – Abdichtungen gegen Bodenfeuchte (Kapillarwasser, Haftwasser) und nichtstauendes Sickerwasser an Bodenplatten und Wänden, Bemessung und Ausführung
  • DIN 18195-5:2011-12, Bauwerksabdichtungen – Abdichtungen gegen nichtdrückendes Wasser auf Deckenflächen und in Nassräumen, Bemessung und Ausführung
  • DIN 18195-9:2010-05, Bauwerksabdichtungen – Durchdringungen, Übergänge, An- und Abschlüsse
  • BMUB: Leitfaden Barrierefreies Bauen, 2016
  • ZVDH: Fachregel für Abdichtungen – Flachdachrichtlinie –, 2016-12

Barrierefreiheit und Abdichtungen stehen sich oft im Wege

Grafik, wie die beiden Magneten sich im geschlossenen Zustand der Tür nach oben heben.
Die beiden Magneten (rot) heben sich im geschlossenen Zustand der Tür nach oben. (Grafik: Alumat Frey GmbH)

Schwellenfreie Übergänge sind abdichtungstechnische Sonderlösungen, die  besondere bzw. zusätzliche Maßnahmen erfordern, beispielsweise
› rinnenförmig gelagerte Entwässerungsroste mit unmittelbarem Entwässerungsanschluss, gegebenenfalls beheizbar, oder vergleichbare Konstruktionen wie verstellbare Gitterroste ohne Rinnenkörper (in Kombination mit Dränmatten bei aufgestelzten Belägen)
› Gefälle der wasserführenden Ebenen
› Überdachung zum Schutz vor Schlagregen und Spritzwasser
› Türrahmen mit geflanschten
Abdichtungsanschlüssen
› Türen mit speziellen Abdichtungsfunktionen

Welche Maßnahmen unter welchen Rahmenbedingungen auszuführen sind, wird jedoch nicht dargelegt. Genau hier besteht ein Konflikt zwischen den allgemein anerkannten Regeln der Technik in Bezug auf das barrierefreie Bauen und den allgemein anerkannten Regeln der Technik von Bauwerksabdichtungen. Der Widerspruch besteht darin, dass schwellenfreie Türen bauordnungsrechtlich zwar erforderlich sind, um diese jedoch zu planen und auszuführen, sind abdichtungstechnische Sonderlösungen nötig, welche nicht die allgemein anerkannten Regeln der Technik abbilden. Nach der Flachdachrichtlinie sind abdichtungstechnische Sonderlösungen grundsätzlich zwischen den Baubeteiligten (Planer, Türhersteller und Ausführenden) abzustimmen. Zur Erfüllung werkvertraglicher Vereinbarungen im Sinne der VOB ist eine solche Lösung explizit auch mit dem Bauherrn zu vereinbaren. Grundlage für eine solche Vereinbarung ist die vom Planer entwickelte baukonstruktive Lösung. Diese sollte zeichnerisch als Detailplanung mit einer auch für den Laien verständlichen Erläuterung sowie der damit verbundenen Vorteile und Risiken vorliegen. Erfolgt dies nicht, ist die vom Planer angedachte konstruktive Lösung – auch wenn diese schadenfrei ist – nach der VOB als Mangel anzusehen. Der Planer setzt sich somit einem verhältnismäßig hohen Haftungsrisiko für eine eventuell bauordnungsrechtlich notwendige, jedoch nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechende Lösung aus. Ein Bauherr kann nur darüber entscheiden, ob er die angedachte Sonderlösung und die damit verbundenen Risiken mittragen kann. Sollte er sich dagegen entscheiden, ist der Planer verpflichtet, dem Bauherrn eine alternative Lösung vorzustellen. Nur so kann er dem erhöhten Haftungsrisiko entgehen.

Formulierungsvorschlag für eine Vereinbarung zwischen Planer und Bauherr
„Zur Umsetzung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die bauliche Barrierefreiheit ist beim Bauvorhaben [Bezeichnung des Bauvorhabens vermerken] eine schwellenfreie Türkonstruktion der Eingangstüren [exakte Kennzeichnungen eintragen] erforderlich. Diese sind in der Detailplanung mit Bearbeitungsstand [Datum des Bearbeitungsstands] als Horizontal- und Vertikalschnitt [siehe Anlage] grafisch dargestellt. Die vertikale Schnittdarstellung stellt den Fußbodenaufbau innerhalb des Gebäudes, die schwellenfreie Türkonstruktion sowie das anschließende Entwässerungssystem dar. Ferner ist die Einbauposition der Bauwerksabdichtung angezeigt. Dabei ist zu beachten, dass die Vorgaben hinsichtlich der Abdichtungsanschlusshöhe und somit die allgemein anerkannten Regeln der Technik nach DIN 18195-4: 2011-12 [alternativ, je nach Einbauposition: DIN 18195-5: 2011-12, DIN 18195-9: 2010-05 sowie der Flachdachrichtlinie (Stand 2016-12)] für die Ausführung einer schwellenfreien Türkonstruktion nicht eingehalten werden. Daher werden folgende besondere respektive zusätzliche konstruktive Maßnahmen als abdichtungstechnische Sonderlösung – i. S. d. Flachdachrichtlinie (Stand 2016-12) – vorgesehen:

  • Rinnenförmig gelagerter Entwässerungsrost (mit einem unmittelbaren Entwässerungsanschluss)
  • Begleitheizung am Rinnenkörper
  • Überdachung zum Schutz vor Schlagregen und Spritzwasser

Die angedachten besonderen bzw. zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen haben zum Ziel, das im Bereich vor der Türkonstruktion anfallende Niederschlagswasser bei allen Witterungsbedingungen jederzeit effektiv abzuführen. Durch Alterung der Abdichtungsmaterialien und -anschlüsse sowie aufgrund unterlassener Reinigung des Rinnenkörpers oder Entwässerungsrostes kann es zur unkontrolliertenAbleitung von Niederschlag kommen. Dies führt regelmäßig zu konstruktiven
Schäden. Aus diesem Grund sind die Funktionsfähigkeit sowie der einwandfreie Zustand der Bauelemente und jeweiligen Anschlusspunkte regelmäßig zu prüfen. Erfolgt dies nicht, ist deren dauerhafte Funktionsfähigkeit nicht sichergestellt.“

Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Lutz Engelhardt und Dipl.-Ing. (FH) Nadine Metlitzky

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