Neue Bauordnung NRW: Aufschub um 12 Monate

Wesentliche Änderungen in Sachen Barrierefreiheit : Am 14. Dezember 2016 hat der nordrhein-westfälische Landtag die neue Bauordnung NRW endlich beschlossen. Im Vorfeld hatte es kontroverse Diskussionen und zahlreiche Änderungsanträge gegeben – gerade auch rund die geplanten Regelungen in Sachen Barrierefreiheit. Nun soll jedoch der geplante Termin des Inkrafttreten um 12 Monate auf den 28. Dezember 2018 verschoben werden. Der Zeitraum des Moratoriums wird dafür genutzt, um sich mit den einzelnen Vorschriften erneut auseinanderzusetzen.

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Gründe für den Aufschub der Landesbauordnung

„Politische Entscheidungen und Vorgaben haben das Bauen in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren deutlich verteuert. Das Inkrafttreten der im Dezember 2016 noch unter der Vorgängerregierung neugefassten Landesbauordnung wird daher um 12 Monate verschoben. Baukostensteigernde Regulierungen und Vorgaben werden wir auf den Prüfstand stellen. Das Ziel der neuen Landesregierung ist es, ein Klima für Neubau zu schaffen“, so Ina Scharrenbach, neue Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Anlässlich der Entscheidung für das Moratorium von 12 Monaten führt die Ministerin weiter aus: „Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit. Es ist mir wichtig, dass wir uns nach dem Leitgedanken, >>Zuhören. Entscheiden. Handeln<< noch einmal intensiv mit der Kritik an der Landesbauordnung auseinandersetzen. Daher werden wir zeitnah Gespräche mit den Sozialverbänden, den am Bau beteiligten Verbänden und Kammern sowie mit den Kommunen führen. Wichtig ist uns dabei das alters- und behindertengerechte Bauen im Blick zu haben. Menschen werden älter und sie sollen solange wie möglich selbstbestimmt zu Hause – in ihrer vertrauten Heimat – leben können.“

Damit schnell Rechtssicherheit vorliegt, wird die Landesregierung in einem ersten Schritt nach der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Verankerung des Moratoriums in der Landesbauordnung in die parlamentarischen Beratungen einbringen.
(Quelle: Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW)

Vorgesehene Änderungen bezüglich der Barrierefreiheit

Anteil barrierefreier und rollstuhlgerechter Wohnungen (R-Standard) – § 48

Nach § 48 Absatz 2 der neuen Bauordnung NRW müssen nun in Gebäuden mit mehr als drei oberirdischen Geschossen alle Wohnungen barrierefrei, aber nicht uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. In Gebäuden mit mehr als 8 Wohnungen muss eine, in Gebäuden mit mehr als 15 Wohnungen zwei uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein.

Rund um die pauschale, landeseinheitliche „R-Quote“ hatte es im Vorfeld zahlreiche Äußerungen  gegeben. Im Gesetzentwurf lag die Grenze noch bei mehr als 6 Wohnungen, die Forderung wurde also nur geringfügig abgeschwächt. Die Kritiker hatten angemerkt, es sei nicht nachvollziehbar, worauf sich diese Mengenvorgaben stützen. Zudem sei der Bedarf an rollstuhlgerechten Wohnungen regional sehr unterschiedlich. Angemerkt wurde auch, dass der R-Standard zwar den Bedürfnissen der Rollstuhlnutzer entspräche, andere Einschränkungen aber außer Acht lasse. Darüber hinaus seien nach Auftragsstudien der AKNW und des VdW Rheinland Mehrkosten von +12 bis +22 % zu erwarten, die maßgeblich durch den R-Standard verursacht würden.

Barrierefreiheit bei öffentlich zugänglichen Gebäuden – § 54

Nach § 54 müssen öffentlich zugängliche bauliche Anlagen sowie bauliche Anlagen für alte Menschen, Personen mit Kleinkindern und für Menschen mit Behinderungen zukünftig in erforderlichem Umfang barrierefrei sein. Dabei lässt die Formulierung „in erforderlichen Umfang“ durchaus Raum für Interpretationen in beide Richtungen. Öffentlich zugänglich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht von vornherein bestimmte Personengruppen als Benutzer oder Besucher ausgeschlossen werden können. Klargestellt wird, dass Wohngebäude nicht als öffentlich zugänglich gelten.

Nach § 54 Absatz 2 kann jedoch bei Bestandsgebäuden auf die Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit verzichtet werden, wenn diese einen unverhältnismäßigen Mehraufwand erfordern würden. Entsprechende Abweichungen können zugelassen werden. Damit soll verhindert werden, dass bestehende öffentliche Gebäude nicht mehr verändert und weitergenutzt werden könnten.

Bauvorlagen zur Darstellung der Barrierefreiheit

In der Begründung zur neuen Bauordnung NRW werden technische Bauvorlagen zur Darstellung der Barrierefreiheit (Barrierefrei-Plan/-Konzept) und deren Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörden im Genehmigungsverfahren angekündigt. Entsprechende Regelungen sind im Rahmen der neuen Bauprüfverordnung zu erwarten.
Auszug aus der Begründung: „… sollen die technischen Regeln für die Barrierefreiheit Eingang in Technische Baubestimmungen finden und damit zum Prüfgegenstand der Bauaufsichtsbehörden im Baugenehmigungsverfahren werden. Außerdem sollen spezielle Bauvorlagen geschaffen werden, die umfassende Pläne über die barrierefreie Ausgestaltung der Gebäude enthalten.“ 

Beteiligung der Behindertenbeauftragten – § 75

Neu ist die Verpflichtung zur Einbindung der Behindertenbeauftragten oder der örtlichen Interessenvertreter. Nach § 75 Abs. 5 muss diesen bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von öffentlich zugänglichen Gebäuden diesen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Im Vorfeld wurden Bedenken hinsichtlich der Qualifikation der oft ehrenamtlich tätigen und baufremden Behindertenbeauftragten geäußert. Zudem sei durch die Beteiligung mit zeitlichen Verzögerungen zu rechnen. Diesbezüglich verwies die Ingenieurkammer-BAU in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf ausdrücklich auf die Vorteile eines ausführlichen Barrierefrei-Konzepts. Bestandteil eines solchen Konzeptes sind neben textlichen Erläuterungen speziellen Pläne, die die Maßnahmen zur Barrierefreiheit klar und eindeutig dargestellen und so die Kommunikation und Abstimmung mit allen Beteiligten erleichtern.

Auch die Barrierefreiheit bestehender Gebäude soll verbessert werden – § 89

Neu ist die ausdrückliche Forderungen zur Anpassung bestehender baulicher Anlagen. Werden öffentlich zugängliche Gebäude wesentlich geändert, so soll gefordert werden, dass auch die nicht unmittelbar berührten Teile gemäß den neuen Anforderungen an die Barrierefreiheit verbessert werden (§ 89 Absatz 2). Voraussetzung ist jedoch, dass die Bauteile mit den Änderungen in einem konstruktiven Zusammenhang stehen und dass dadurch bei den von den Änderungen nicht berührten Teilen kein unverhältnismäßiger Mehraufwand verursacht wird. Wie diese Anpassungen in der Praxis konkret eingefordert werden, bleibt abzuwarten.

Autor: Tanja Buß

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