Brandschutz + Barrierefreiheit: Diesen beiden für sich schon schwierigen Themen, widmete sich das 1. bfb-Symposium – aufgrund der besonderen Umstände in Form eines interaktiven, digitalen Live-Events. Dem regen Interesse der 120 Teilnehmer tat das digitale Format keinen Abbruch. Am 2. November kamen neun Referenten und Experten aus Brandschutz und Barrierefreiheit auf einem virtuellem Podium zusammen und zeigten in ihren Fachvorträgen unterschiedliche Blickwinkel, praktische Herausforderungen und Lösungsperspektiven auf.
Das 2. bfb-Symposium „Brandschutz & Barrierefreiheit“ findet am 17. November 2021 als hybrides Event statt. Mehr Infos >> |
Die Perspektive der Planenden
Den Auftakt machte Nadine Metlitzky, Architektin und Herausgeberin des „Atlas barrierefrei bauen„, mit dem Vortrag „Barrierefreie Gebäude im Brandfall„. In ihrer Einführung erläuterte sie, was „barrierefrei“ im Hinblick auf das Bauen bedeuted, wie viel Barrierefreiheit für welche Gebäudebereiche baurechtlich gefordert ist und um welche Nutzergruppen nach DIN 18040 es dabei geht.

Im Anschluss legte Stephanie Dietel, ebenfalls Architektin und Fachplanerin für Barrierefreies Bauen, den Fokus auf die Anforderungen an einen barrierefreien Brandschutz. Dabei ging sie insbesondere auf die Voraussetzungen ein, die notwendig sind, damit eine barrierefreie Rettung im Brandfall für jeden einzelnen – mit oder ohne Einschränkungen – möglich ist. Während üblicherweise die Selbstrettung im Vordergrund steht, liegt das Augenmerk beim barrierefreien Bauen insbesondere auch auf den Möglichkeiten einer ggf. unterstützten Selbstrettung und der Fremdrettung.

Während dieser und aller folgenden Vorträge hatten die Teilnehmer die Möglichkeit in einem öffentlichen Chat interaktiv Fragen an die Referenten zu stellen. Diese wurden im Anschluss an den jeweiligen Vortrag ausführlich von den Experten beantwortet. Aber auch untereinander konnten die Teilnehmer miteinander interagieren und sich gegenseitig Tipps und Ratschläge geben.
Teilnehmerstimmen
„Eine echt gute Alternative, nicht nur zu Corona-Zeiten.“
„Die digitale Version fand ich überraschend gut.“
„Einfache Möglichkeit der Fragestellung und insgesamt noch interaktiver als Präsenzveranstaltungen.“
Die Sicht der Feuerwehr und des NRW-Bauministeriums

Nach diesen ersten beiden Vorträgen wechselte die Perspektive weg von der planenden Seite. Dirk Aschenbrenner, Direktor der Feuerwehr Dortmund, sprach stellvertretend für die Einsatzkräfte. Er beschrieb Situationen, die die Feuerwehr in der Praxis vorfindet und welche konkreten Probleme dort auftreten. Neben baulichen Lösungen zum Ereichen der Schutzziele hob Dirk Aschenbrenner die Potenziale der Digitalisierung für Brandvermeidung und Evakuierung hervor.

Dr. Thomas Wilk sprach in seiner Funktion als Leiter der Abteilung Bauen im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW. Am Beispiel NRW erläuterte er, welche Anforderungen sich aus Sicht des Bauministeriums an barrierefreie Rettungswege aus der BauO NRW und den dazugehörigen Technischen Baubestimmungen ableiten lassen, und welche nicht. Der Zwiespalt zwischen der Forderung nach barrierefreien Rettungsmöglichkeiten einerseits und der Vermeidung von zusätzlichen Baukosten andererseits wurde dabei deutlich. Auch die geplanten Änderungen der BauO NRW in 2020/2021 wurden vorgestellt. Mehr dazu >>
Standpunkt eines Brandschutzplaners
Nach der Kaffeepause schilderte Karl-Olaf Kaiser aus der Sicht der Brandschutzplaner die Probleme, die bei der Kombination der beiden Fachgebiete auftreten können und wie diese insbesondere im Wohnungsbau aufgelöst werden können. Er stellte zunächst klar, dass die Planung der Barrierefreiheit keine Grundleistung gemäß AHO-Leistungsbild Brandschutz ist. Umso wichtiger ist es, dass die Anforderungen und Maßnahmen eines barrierefreien Rettungskonzeptes mit allen Beteiligten frühzeitig thematisiert werden. Dazu müssen Brandschutzplaner, Entwurfsverfasser, Fachplaner für Barrierefreiheit sowie der Bauherr und ggf. auch die Bauaufsichtsbehörde „an einen Tisch“, um Planungssicherheit hinsichtlich des gewünschten Sicherheitsniveaus zu schaffen. Hinsichtlich der Planungsleistungen in Sachen Barrierefreies Bauen wird das in Kürze erscheinende AHO-Leistungsbild Barrierefreiheit für mehr Klarheit sorgen. Mehr dazu demnächst im bfb-Newsletter.

Der Blickwinkel der Betroffenen

Anschließend teilte Michael Müller konkrete Eindrücke und Erfahrungen, die Menschen mit Behinderung täglich mit barrierefreien oder eben nicht barrierefreien Gebäuden machen. Sein Erfahrungsbericht zeigte die Absurdität so mancher baulicher oder organisatorischer Lösung und verdeutlichte, wie schnell Gebäude für Menschen mit Behinderungen zur Falle werden können. Gut gemeint und gut gemacht ist in der Praxis leider oft nicht dasselbe. Der Vortrag rückte die Betroffenen in den Fokus und hilft Planern und Betreibern dabei, sich besser in die Lage von Menschen mit Behinderungen hineinzuversetzen und aus diesem Bewusstsein heraus tragfähige Lösungen für den Ernstfall zu entwickeln.
Teilnehmerstimmen
„Spannende Beleuchtung der Zusammenhänge von Brandschutz und Barrierefreiheit von unterschiedlichsten Seiten und mit interessanten Denkanstößen. Sehr zu empfehlen.“ – L. Kauer, ANWANDER
„Eine tolle und wirklich lehrreiche Veranstaltung mit viel Input für den planerischen Alltag, vielen Dank hierfür!“
Fluchtweg: Evakuierungsaufzug
Nach der Mittagspause ging es mit Lösungen aus der Praxis weiter. Den Auftakt machte Maynhard Schwarz zum Thema „Aufzüge zur Selbstrettung und Evakuierung„. Aufzüge sind für Menschen mit Behinderungen der einfachste und häufig auch der einzige Weg ein Gebäude selbstständig zu verlassen. Nichtsdestotrotz sind Aufzüge in der Regel im Brandfall außer Betrieb. Welche Anforderungen an einen „Rettungsaufzug“ gestellt werden, also an einen Aufzug, der auch während eines Brandes weiter benutzt werden kann, wurde in diesem Vortrag ausführlich dargelegt. Je nach Art und Anordnung des Aufzuges im Gebäude sind die technischen „Hürden“ dabei weniger hoch als oft angenommen. Mehr dazu >>
Lösungen und Beispiele aus der Praxis
Danach stellte Stephanie Dietel, zusammen mit Guido Franken, der als Brandschutzplaner tätig ist, zwei gemeinsame Projekte vor, in denen konkrete Lösungen für Barrierefreiheit und Brandschutz erfolgreich umgesetzt wurden. Gezeigt wurden barrierefreie Rettungskonzepte am Beispiel eines Büro-/Laborgebäudes mit Versammlungsstätte sowie einer Schule.

Im letzten Vortrag erläuterte Reinhard Ronkartz die konkrete Vorgehensweise anhand eines Hotelbeispiels, einer Schule und eines Bürogebäudes. Im Fokus stand das Verfahren zu Risikobewertung und Helferquote nach Göbell/Kallinowsky, das es ermöglicht Räumungssituationen zu bewerten und daraus die entsprechenden Brandschutzmaßnahmen abzuleiten. Eine Zusammenfassung des Verfahren ist im „Atlas barrierefrei bauen“ enthälten, ausfühlich im Buch „Barrierefreier Brandschutz„.

Insgesamt stand das 1. Symposium „Brandschutz & Barrierefreiheit“ ganz im Zeichen der Evakuierung und Rettung von Menschen mit Behinderungen im Not- und Brandfall – ein Thema, dass durch den demografischen Wandel weiter an Relevanz gewinnen wird. In den Fachvorträgen, aber auch in den Fragerunden und im Chat wurden die Schwierigkeiten und Streitpunkte bei der praktischen Umsetzung eines barrierefreien Brandschutzes deutlich. Grund genug, das Thema beim 2. Symposium „Brandschutz & Barrierefreiheit“ 2021 weiter zu vertiefen und innovative Wege für einen barrierefreien Brandschutz aufzuzeigen. Termin folgt …
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