Bewegungsstudien für mehr Sicherheit für Menschen mit Behinderung

Bild von oben: Menschen mit und ohne Behinderung gehen durch einen Parkour mit breiten und schmalen Stellen
Menschen mit und ohne Behinderung gehen im Rahmen der Bewegungsstudien durch Korridore unterschiedlicher Breite und Engstellen. (Foto: Ralf Eisenbach)

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat an im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes am 10. und 11. Juni 2017 verschiedene Bewegungsstudien zur Verbesserung von Brandschutz,  Rettungswegen und Evakuierungsplanung mit rund 350 Personen mit und ohne Behinderung durchdurchgeführt. Dabei wurde der Einfluss von Behinderungen und genutzten Assistenzmitteln (Rollstuhl, Gehstock, Langstock etc.) in hohen Personendichten untersucht.

Am ersten Tag wurden acht Studien mit rund 85 Teilnehmern ohne Beeinträchtigungen und 27 Teilnehmern mit Beeinträchtigungen durchgeführt. Die Gruppen mussten dabei unterschiedlich Wege durch unterschiedlich breiten Korridoren sowie durch verschiedene Engstellen zurücklegen. Insgesamt wurden 64 Durchläufe erfolgreich durchgefühhrt, wobei Menschen mit Gehbehinderung, kognitiver Beeinträchtigung sowie Menschen mit starker Sehbeeinträchtigung und Gehörlosigkeit teilgenommen haben.

Am zweiten Tag standen heterogenere Personengruppen im Vordergrund. Hierbei wurden die Teilnehmergruppen (70 Personen ohne Beeinträchtigungen und 17 Teilnehmende mit Beeinträchtigungen) bunt gemischt. Es nahmen ebenfalls Personen mit mehrfachen Beeinträchtigungen teil. An diesem Tag wurden sechs Studien mit 50 Durchläufen durchgeführt.

Viedeoaufzeichnung und aufwendige Sensorik

(Foto: Ralf Eisenbach)
(Foto: Ralf Eisenbach)

Die Bewegungen jeder einzelnen Person wurden mittels HD-Kameras und Sensorik aufgezeichnet. Im Anschluss werden aus dem Videomaterial individuelle Bewegungsspuren extrahiert, um daraus dann lokale Personendichten, individuelle Gehgeschwindigkeiten und Abstände zu Wänden oder Nachbarn berechnet. Das hilft zu verstehen, woran sich bestimmte Personengruppen orientieren und wodurch Gehgeschwindigkeiten bzw. Kapazitäten beeinflusst werden. Zu jeder Studien gibt es eine Referenzstudie mit homogener Teilnehmercharakteristik (z.B. Studenten), so dass die Ergebnisse verglichen werden können.

Daten zur Verbesserung von Brandschutz- und Rettungskonzepten

Ziel ist es, Rettungskonzepte besser an Benutzer mit besonderen Bedürfnissen anpassen zu können. Die Studien liefern dazu fundamentale Eingangsdaten, um die Berechnung und Aussagekraft von Bewegungsmodellen weiter zu verbessen. Mit Hilfe der Daten lassen sich Brandschutz- und Rettungskonzepte sowie Evakuierungsszenarien entwickeln, die die Sicherheit für Menschen mit körperlichen, geistigen oder altersbedingten Beeinträchtigungen erhöhen.

„Stadtplanungskonzepte zur Inklusion konzentrieren sich meist auf den barrierefreien Zugang, nicht aber auf die Evakuierung aus den Gebäuden in einem Notfall“, so die Projektleiterin Dr. Anja Hofmann-Böllinghaus vom Fachbereich Technische Eigenschaften von Polymerwerkstoffen an der BAM. „Genau hier setzt unsere Studie an: Wir wollen Rettungskonzepte entwickeln, die diese hilfebedürftigen Personengruppen berücksichtigen. Dabei geht es einerseits darum, Fluchtwege zu verbessern, aber auch darum, Schulungskonzepte für Pflege- und Rettungskräfte zu erarbeiten.“

Aufgrund der enormen Datenmengen sowie der komplexen Auswertungsroutinen werden die Ergebnisse voraussichtlich erst im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. Dem ersten, visuellen Eindruck nach verliefen die Studien aber ausgesprochen konfliktarm und unkritisch, so Paul Geoerg vom BAM.

SiME und BAM

Die Bewegungsstudien sind Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „SiME – Sicherheit für Personen mit körperlicher, geistiger oder altersbedingter Beeinträchtigung“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Die BAM koordiniert das Projekt und arbeitet dazu mit den Projektpartnern Jülich Supercomputer Centre, der Hochschule Niederrhein, der Werkstatt Lebenshilfe Bergisches Land, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der PTV Transport Consult GmbH zusammen.

>> Weitere Informationen zur BAM finden Sie auf www.bam.de.
>> Weitere Informationen zum Projekt SiME finden Sie unter www.sime-projekt.de