Barrierefreiheit in der Immobilienbewertung | Interview zur neuen ImmoWertV

Nachgefragt bei Lutz Engelhardt, Architekt, Fachplaner für barrierefreies Bauen und Sachverständiger für Immobilienbewertung.

bfb: Nach neuer ImmoWertV muss die Barrierefreiheit ab sofort bei der Wertermittlung berücksichtigt werden. Was bedeutet das konkret für die Anwender?

Lutz Engelhardt: Die novellierte ImmoWertV 2021 führt als neues, weiteres Grundstückmerkmal die Barrierefreiheit erstmals verbindlich ein. Sachverständige für Immobilienbewertung müssen also bei jedem Verkehrswert- oder Marktwertgutachten, jeder Wertexpertise oder bei fachlichen Stellungnahmen Angaben zur Barrierefreiheit des Bewertungsobjekt aufnehmen und deren Werteinfluss bestimmen. Fehlen diese Angaben, ist eine Immobilienbewertung mangelhaft. Leider fehlt seitens des Verordnungsgebers für die Praxis noch eine entsprechende Bewertungssystematik.

bfb: Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie? Werden nicht-barrierefreie Bestandsimmobilien an Wert verlieren, z.B. eine nicht barrierefrei zugängliche Apotheke? Und umgekehrt: Werden beispielsweise barrierefreie Eigentumswohnungen zukünftig teurer?

Lutz Engelhardt: Der Werteinfluss hängt unmittelbar von der Art des Objekts ab. Wenn Sie ein gewerblich nutzbares Objekt bewerten, müssen Sie den Werteinfluss anhand der Nachnutzung bestimmen. Entsprechend müssen Sie sich die Frage stellen: Ist die Immobilie in Bezug auf die angedachte Nutzung barrierefrei? Ist dies nicht der Fall, ist ein negativer Werteinfluss zu berücksichtigen. Wichtig dabei ist, zu wissen, dass sich die Anforderungen dabei je nach Nutzung durchaus unterscheiden können.
Bei Wohnungen führt eine barrierefreie Ausstattung dagegen regelmäßig zu einer Werterhöhung. Da der Mangel an barrierefreien Wohnungen in den kommenden Jahren noch zunehmen wird, ist zu erwarten, dass die Preise solcher Immobilien überdurchschnittlich steigen werden.

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Das Handbuch verschafft Wertermittlern und Architekten einen Überblick zu den wesentlichen Standards und Barrierefrei-Anforderungen für Wohn- und Nichtwohngebäude. Lutz Engelhardt, Sachverständiger für Immobilienbewertung und Fachplaner für Barrierefreiheit, fasst die wesentlichen Aspekte zusammen und hilft, die bauliche Barrierefreiheit bei der Wertermittlung richtig zu berücksichtigen.

bfb: Welche Tipps können Sie Wertermittlern, Kaufinteressenten und Architekten mit auf den Weg geben? Worauf sollten sie ganz besonders achten?

Lutz Engelhardt: Analysieren Sie bei jeder Immobilienbewertung die bauliche Barrierefreiheit in Bezug auf die Folgenutzung. Lassen Sie sich die Planung vorlegen, vielleicht steht Ihnen sogar ein Barrierefrei-Konzept zur Verfügung. Auf einer solchen Planung bzw. auf einem Barrierefrei-Konzept können Sie Ihre Immobilienbewertung dann fundiert aufbauen.

bfb: Ausblick ImmoWertA – Erwarten Sie darin konkrete Kennwerte oder Praxishilfen zu Bewertung der Barrierefreiheit?

Lutz Engelhardt: Die ImmoWertA,  also die Muster-Anwendungshinweise zur ImmoWertV, sollen im laufenden Jahr veröffentlicht werden. Im derzeit diskutierten Entwurf ist aber keine Bewertungssystematik enthalten, welche die barrierefreien Merkmale und deren Werteinfluss darstellt. Hier besteht seitens des Verordnungsgebers noch erheblicher Handlungsbedarf.

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