
Die Zugänglichkeit von Gebäuden steht beim barrierefreien Bauen im Mittelpunkt. Aufzüge gehören daher oft zum Standard, gerade bei öffentlichen Gebäuden. In der Regel gilt jedoch: „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“, wodurch die Selbstrettung von Menschen mit Einschränkungen verhindert wird. Es gibt aber Möglichkeiten, Aufzüge ohne großen Mehraufwand weiter betreiben zu können. Eine Möglichkeit dazu bietet die Richtlinie VDI 6017 „Aufzüge – Steuerungen für den Brandfall“ von August 2015. Sie gilt für Personen- und Lastenaufzüge (mit Ausnahme von Evakuierungs- und Feuerwehraufzügen) und zeigt, unter welchen Voraussetzungen Aufzüge trotz einer ersten Brandmeldung bis zum kritischen Brandereignis weiter betrieben werden können.
Aufzugsarten und Betriebszeiten – Stufenmodell nach VDI 6017
Die VDI-Richtlinie 6017 definiert bereits seit 2008 für die Verlängerung der Betriebszeit verschiedene Stufen. Die darin beschriebenen Brandfallsteuerungen können allgemein angewendet werden.

Standardaufzüge | Stufe A bedeutet, dass die Betriebszeit im Brandfall innerhalb des Gebäudeabschnitts nicht verlängert werden kann. Sobald eine Brandmeldung erfolgt, wird der Aufzug durch eine Brandfallsteuerung in eine Bestimmungshaltestelle gesendet und dort stillgesetzt (Gegenstand VDI 6017). Die Bezeichnung „Evakuierungsfahrt“ für diese letzte Fahrtm zur Stilllegung ist missverständlich, denn diese Fahrt wird in der Regel mit leerem Korb erfolgen. Beim Brandfall in einem anderen, abgetrennten Gebäudeabschnitt könnte dieser Aufzug jedoch als barrierefreier Rettungsweg weiter genutzt
werden, sofern er entsprechend geplant und errichtet wurde.
Sicherheitsaufzüge | Stufe B ermöglicht einen Weiterbetrieb bei unkritischen Brandereignissen (Gegenstand VDI 6017). Dieser Sicherheitsaufzug ist so konstruiert, dass übliche Gefahrenquellen wie etwa Stromausfall oder Verrauchung technisch ausgeschlossen werden. Diese Aufzüge ermöglichen damit eine selbstständige Rettung von Personen mit Einschränkungen auch im Brandfall. Es handelt sich im Wesentlichen um Standardaufzüge, bei denen der Funktionserhalt im Brandfall durch einfache Maßnahmen sichergestellt ist. Das geschieht z. B. durch einen Abzweig der Stromzufuhr zur Aufzugsmaschine vor dem Hauptschalter des Gebäudes und eine brandgeschützte Ausführung dieser Zuleitung („Sprinklerpumpenschaltung“) oder auch durch rauchgeschützte Wartezonen vor den Aufzugstüren. Dabei ist eine flächendeckende Brandmeldeanlage mit automatischen Brandmeldern vorzusehen (BMA nach DIN 14675 Kategorie 1). Brandmeldungen müssen über definierte Schnittstellen an die Steuerung der Aufzugsanlage geleitet werden. Eine flächendeckende Überwachung durch die BMA anstelle des Funktionserhalts für den gesamten Kabelweg von der Einspeisung bis zum Aufzug ist nicht ausreichend.
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Evakuierungsaufzüge | Stufe C beschreibt ein Konzept, mit dem Gebäude per Aufzug evakuiert werden können (nicht Gegenstand VDI 6017). Die Anforderungen an Evakuierungsaufzüge sollen zukünftig in der DIN EN 81-76 geregelt werden. Die „Vornorm“ DIN CEN/TS 81-76 „Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen – Besondere Anwendungen für Personen- und Lastenaufzüge – Teil 76: Personenaufzüge für die Evakuierung von Personen mit Behinderung“ stellt spezielle Anforderungen
an die Aufzugstechnik selbst und formuliert folgende Einschränkung: „Diese Technische Spezifikation ist nicht für alle Arten von Gebäuden, wie Gebäude ohne eine Person, die sich um das Gebäude und seine Evakuierung kümmert, die nicht in dem Gebäude ansässig ist, oder Wohnhäuser mit mehreren Bewohnern, die sich gemeinsame Rettungswege teilen und keine Verantwortlichen im Gebäude haben, geeignet. Diese Fälle erfordern andere Lösungen als die in diesem Dokument beschriebenen.“ Ohne zu jeder Zeit und sofort zur Verfügung stehende Evakuierungshelfer funktioniert dieses europäische Konzept der unterstützten
Evakuierung damit also nicht.
Feuerwehraufzüge | Stufe D beschreibt ein Konzept, in dem Aufzüge für den Einsatz der Feuerwehr genutzt werden. Feuerwehraufzüge sind in der DIN EN 81-72 beschrieben und nicht Gegenstand der VDI 6017. In Deutschland kann der Feuerwehraufzug nicht zur Selbstrettung nach Brandmeldung genutzt werden. Die Feuerwehren haben hier die Verantwortung für die Rettung der Menschen mit Behinderung nach Baurecht übernommen. Fraglich ist, ob ein Arbeitgeber dadurch dann nicht mehr für die Sicherheit dieser Mitarbeiter verantwortlich ist.
So können Rettungsaufzüge baulich angeordnet werden
Der Begriff „Rettungsaufzug“ soll als Oberbegriff für Aufzüge dienen, die als barrierefreie Rettungswege gelten. Grundsätzlich ist die Anordnung eines Rettungsaufzugs im ohnehin notwendigen
Treppenraum zu bevorzugen. So entstehen einheitliche Rettungswege und, dem Inklusionsgedanke auch bei Rettungswegen folgend, und ein gleiches Sicherheitsniveau für alle. Die übliche Aufzugsschachtentlüftung an oberster Stelle ins Freie muss dabei jedoch entfallen. Im Treppenraum soll der Aufzug im gemeinsamen Luftraum mit der Treppe betrieben werden. Dafür sind ausreichende Lüftungsöffnungen zwischen Aufzugsschacht und Treppenraum erforderlich. Aufzugschacht und -türen zum Treppenraum benötigen keine Brandschutzqualität. Durchladeaufzüge zum Treppenraum sind jedoch ohne zusätzliche Maßnahmen nicht möglich.
Ein Rettungsaufzug kann auch ohne Anschluss an einen Treppenraum verwirklicht werden, wenn er beispielsweise nur über eine Verbindung durchs Freie zu erreichen ist (so wie bei den früheren Sicherheitstreppenräumen der Hochhäuser). Offene Laubengänge und Balkone bieten dabei eine ausreichende Sicherheit für den Wartebereich und verhindern das Verrauchen des Fahrschachts. Eine Brandfallsteuerung ist dann nicht nötig. Um einen fehlenden oder nicht ausreichenden zweiten barrierefreien Rettungsweg zu kompensieren, sind im Einzelfall Druckbelüftungsanlagen oder Spülluftanlagen denkbar. Da aber oft schon für den normalen Betrieb ein zweiter Aufzug in einem barrierefreien Gebäude nötig ist, wird dies eine Ausnahme bleiben, wenn beide Aufzüge in einem Schacht verlaufen.
Sicherer Wartebereich unerlässlich
Ohne einen sicheren Wartebereich vor dem Aufzug ist ein Weiterbetrieb nicht möglich. Hier ist der Rauchschutz bis zum Ende der Räumung das maßgebende Kriterium. Einrichtungen zur Rauchfreihaltung der Vorräume müssen für Rollstuhlnutzer erreichbar und ohne zusätzliche Hilfsmittel bedient werden können. Dies gilt auch für alle Druckknopfmelder von Brandmeldeanlagen, die in der Regel zu hoch hängen.
Kennzeichnung barrierefreier Rettungswege + Abweichung
Die eindeutige Kennzeichnung sollte immer dann erfolgen, wenn der barrierefreie Rettungsweg vom allgemeinen Rettungsweg abweicht. Beim Rettungsaufzug entfällt dann das übliche Schild „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“. Stattdessen erfolgt die Kennzeichnung als Rettungsaufzug. Die Hessische Bauordnung (HBO 2018) fordert beispielweise für Sonderbauten explizit die „Kennzeichnung von Rettungswegen, die für Rollstuhlfahrer geeignet und vorgesehen sind“. Über den Aufzugtüren in den jeweiligen Geschossen ist der Richtungspfeil zur Evakuierungsebene zeigend anzuordnen.
In einigen Bundesländern ist teilweise immer noch eine Abweichung/Befreiung vom Baurecht für einen Rettungsaufzug nötig, weil in diesen die Brandfallsteuerung noch undifferentiert und pauschal festgelegt ist. Zukünftig sollte der „notwendige Aufzug“ ebenso wie der „notwendige Treppenraum“ als Fluchtweg für Menschen mit Einschränkungen eine Selbstverständlichkeit sein.
Autor/Quelle: Maynhard Schwarz (Auszug aus „Atlas barrierefrei bauen“)