NRW: Anhörung zur neuen BauO 2018!

Update: Auch das Protokoll zur SV-Anhörung ist jetzt endlich online. Hier nachlesen …

Am Freitag, den 4. Mai 2018 fand im Düsseldorfer Landtag erneut eine Sachverständigenanhörung zur neuen BauO 2018 statt. Der Entwurf der neuen Landesbauordnung im sogenannten Baurechtsmodernisierungsgesetz enthält gegenüber der BauO NRW 2016 zahlreiche Änderungen in Sachen Barrierefreiheit. Und diese wurde im Rahmen der Anhörung erneut diskutiert. Wir waren für Sie vor Ort dabei …

Definition barrierefrei nach MBO + Zusatz

„§ 2 Begriffe
(10) Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für alle Menschen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“
Die neue BauO 2018 übernimmt hier die Definition der Musterbauordnung (MBO), ergänzt diese aber um „alle Menschen“ sowie „auffindbar“, um sicherzustellen, dass bauliche Anlagen nicht nur von Menschen mit Behinderungen erreicht und genutzt, sondern auch in der allgemein üblichen Weise aufgefunden werden können.

(Fast) alle Wohnungen barrierefrei

„§ 39 Barrierefreies Bauen
(1) In Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 mit Wohnungen müssen die Wohnungen barrierefrei sein.“

Die in der BauO NRW 2016 enthaltene R-Quote ist endgültig vom Tisch. Jetzt sollen dafür alle Wohnungen ab Gebäudeklasse (GK) 3 barrierefrei sein. Damit geht der Entwurf über die Forderungen der Musterbauordnung (MBO) und aller anderen Bundesländen hinaus, die die Barrierefreiheit meist nur für ein Geschoss oder eine bestimmten Anteil der Wohnungen fordert.
Ernst Uhing von der Architektenkammer NRW: „Wir begrüßen diese Regelung, nach der durchgängig barrierefrei gebaut werden muss.“ Auch der BFW sieht wie fast alle diese neue Regelung positiv: „Wir unterstützen diesen Weg zu 100 %“ so Elisabeth Gendziorra.

Welcher Standard aber gemeint sei, darüber waren die Sachverständigen uneins: „barrierefrei“ oder „barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar“? Das sei nicht eindeutig definiert. Mehrfach angemerkt wurden die Widersprüche zwischen dem Wortlaut des Gesetzentwurfs und der dazugehörigen Begründung. Denn wenn diese barrierefreien Wohnungen für alle zugänglich und nutzbar sein sollen, müssten Aufzüge vorhanden sein sowie die Bewegungsflächen für eine uneingeschränkte Rollstuhlnutzung ausgelegt sein. Dem widerspricht aber die Begründung: „Barrierefrei“ wird als Anforderung in der DIN 18040-2 durch den Begriff „barrierefrei nutzbare Wohnung“ (ohne die Anforderungen mit der Kennzeichnung „R“) konkretisiert …“.
Hier wird es also hoffentlich noch eine Präzisierung geben; das empfiehlt u. a. Heinrich Bökamp von Ingenieurkammer-Bau NRW.

DIN 18040-1/-2 als eingeführte Technische Baubestimmung

Die beabsichtigte Einführung der DIN 18040 Teil 1 und 2 als Technische Baubestimmung wird allgemein begrüßt. Während die Einen jedoch eine vollumfängliche Einführung ohne Einschränkungen fordern, plädiert z. B. die AKNW auf eine teilweise Einführung „mit Augenmaß“. Es müsste sowohl die konkrete technische Umsetzung geregelt werden als auch die Besonderheiten wie die Erreichbarkeit einer barrierefreien Wohnung im Obergeschoss ohne Aufzug oder von Maisonettwohnungen, so die AKNW in Ihrer Stellungnahme. Zeitgleich mit Inkrafttreten der neuen BauO 2018 zum 1.1.2019 müssen in jedem Fall auch die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften vorliegen. Damit klar ist, „was, wo und an welcher Stelle gemeint ist“, so Gabriele Richter vom BDB in der Anhörung.

Öffentliche Gebäude „in erforderlichem Umfang“ barrierefrei

„§ 49 Barrierefreies Bauen
(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Öffentlich zugänglich sind bauliche Anlagen, wenn und soweit sie nach ihrem Zweck im Zeitraum ihrer Nutzung von im Vorhinein nicht bestimmbaren Personen aufgesucht werden können. Wohngebäude sind nicht öffentlich zugänglich im Sinne dieses Absatzes.“

Der unbestimmte Rechtsbegriff „erforderlicher Umfang“ müsse unbedingt konkretisiert werden. Das fordern u. a. die AKNW, der VdK und die Agentur Barrierefrei NRW. Angeregt wird, hier die Regelung der MBO zu übernehmen, wonach bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, „in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein“ müssen. Hilfreich sei auch eine beispielhafte Aufzählung wie in der MBO, welche Gebäuden und Anlagen unter öffentlich zugänglich zu verstehen seien, so Martin Philippi von der Agentur Barrierefreiheit NRW. Und auch die Arbeitsplätze dürfe man nicht vergessen.

Mangelnde Kontrolle, Bauvorlagen und Barrierefrei-Konzept

Mehrfach gefordert wurde eine Überprüfung der Barrierefreiheit im Rahmen der Baugenehmigung, sonst bleibe es den Architekten und Bauherren überlassen, ob sie barrierefrei planen oder nicht.
Bertram Weiland vom Blinden- und Sehbehindertenverein NRW fordert eine klare Darstellung im Bauantrag: „Wir brauchen dringend ein Kommunikationsmittel!“ Nur so werde deutlich, was über die reinen Bewegungsflächen hinaus an Maßnahmen zur Barrierefreiheit vorgesehen sei. Ein schlüssiges Barrierefrei-Konzept mit Plänen und einer dazugehörigen Erläuterung liefert genau das.

 

Fehlenden Daten zum Bedarf und zur Bedarfsentwicklung

Einhellig bemängelt wurde das Fehlen konkreter Zahlen zum Bedarf an barrierefreiem und rollstuhlgerechtem Wohnraum. Vor diesem Hintergrund sei letztlich auch die R-Quote gescheitert. Man könne keine R-Quote festlegen, wenn eine entsprechende Datenbasis fehle, so Eva Maria Niemeyer von Städtetag NRW. Eine entsprechende Bedarfserhebung, „dass wäre die Aufgabe der Landesregierung gewesen“ so Silke Gottschalk vom Deutschen Mieterbund.
Horst Ladenberger vom Kompentenzzentrum Selbstbestimmtes Leben nannte dazu Zahlen der Kölner Wohnungsvermittlungsstelle: 2015 konnten dort von 615 Anfragen nach barrierefreien Wohnungen nur 110 bedient werden. Und in 2016 seien in Köln gerade einmal 3 rollstuhlgerechte Wohnungen errichtet worden.
„Es gibt barrierefreien Wohnraum, aber der ist oft an andere vermietet“  beschreibt Thomas Tewes von Haus und Grund die Problematik.  Einig waren sich jedoch alle, dass ein steigender Bedarf zu erwarten ist: „Älter werden, wollen wir alle!“

Sonderbau – Nachweis der Rettungsmöglichkeiten für eingeschränkt selbstrettungsfähige Menschen

Der Verband der Feuerwehren in NRW fordert in seiner Stellungnahme für Sonderbauten „Nachweise über die Möglichkeit der Selbstrettung oder der eigenständigen Flucht in sichere Bereiche bei Nutzugseinheiten, deren Nutzerinnen und Nutzer im Wesentlichen Menschen mit Behinderungen sind.“  Das sei insbesondere in Nutzungseinheiten mit geringerem Nutzungsumfang nötig, für die nicht zwingend betriebliche Regelungen bestehen, die eine assistierte Rettung oder Fremdrettung betrieblich sicherstellen.

Autor: Tanja Buß